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0470 - Die blutrote Nacht

0470 - Die blutrote Nacht

Titel: 0470 - Die blutrote Nacht
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Beinahe-Opfer gab, in dem er etwas Vampirisches zu spüren geglaubt hatte. Vielleicht - wollte da jemand sein Revier verteidigen und einen unerwünscht aufgetauchten Konkurrenten, nämlich ihn, beseitigen oder verjagen…
    Irgendwie würde er es schon herausfinden. Er verließ sein neues, nur provisorisches Versteck, das gerade mal geeignet war, ihn vor den Sonnenstrahlen zu schützen, und begann über der Stadt zu kreisen…
    ***
    »Was hindert uns daran, das eine mit dem anderen zu verbinden?« hatte Nicole gefragt, nachdem Zamorra seinen Vorschlag machte, Himmelsbeobachtungen zu betreiben. »Wenn er über der Stadt auftaucht, sehen wir ihn möglicherweise rechtzeitig und können ihn uns krallen…«
    Nicole jedenfalls hatte die feste Absicht, den Festzug zu sehen, der in dieser und der kommenden Nacht stattfand. Immerhin hatte sie Zamorra und Teri ja nur deshalb überredet, einen Abstecher nach Rio zu machen.
    »Wir sind zu dritt. Wir können ja abwechselnd immer wieder mal einen Blick zum Himmel tun. Und da wir uns nun höchstwahrscheinlich doch auf einem Dach aufhalten werden, ist das alles doch kein Problem.«
    Mit José Maneiras Balkon war schließlich nicht mehr zu rechnen. Ehe sie sich am Mittag im Hotelfoyer trennten, hatte Maneira noch einmal unmißverständlich erklärt, daß er sich an die mündliche Abmachung nicht mehr gebunden fühlte. Mit einem Umweltzerstörer wie Zamorra wolle er nichts mehr zu tun haben.
    Also suchten sie sich ein gutes Plätzchen über den Dächern von Rio. Gegen sieben Uhr abends begann der Umzug, der rund 65.000 Tänzerinnen und Tänzer und ihre Festwagen durch die etwa zehn Kilometer lange und mit gut 100 Metern ausreichend breite Prachtstraße Avenida Varga führte, während des Karnevals auch »Avenida do Samba« genannt. Die Wagen wurden von den etwa 15 Sambaschulen gestellt, von denen jede mit zwei- bis dreitausend Tänzerinnen und Tänzern in farbenprächtigen, aufregend wundervollen Kostümen antraten. Viele der Mädchen arbeiteten fast ein ganzes Jahr an der Anfertigung der Kostüme - wobei die Dauer weniger an der handwerklichen Geschicklichkeit, sondern an der Bezahlbarkeit des Kostüms lag - und am Einstudieren der Tanzfiguren. Jede Sambaschule versuchte, die beste Show zu bieten; es gab Auf- und Abstiegsmöglichkeiten betreffs der Qualität und des Ansehens. In diesem Jahr war die Schule »Estacio de Sa« der Favorit, mit 4500 Akteuren auftretend.
    Dazwischen gab es immer wieder Gruppen von Teilnehmern, die keiner Schule angehörten, sondern einfach so mitmachten und sich manchmal recht spontan in den Zug mischten. »Parade der Sehnsucht« wurde der Umzug genannt, und wer wollte nicht wenigstens einmal ein Star sein, vom Publikum gesehen und bewundert werden, das sich auf der Straße drängte und zuweilen die Grenzen von Zug und Zuschauern verfließen ließ. Wo das Geld fehlte, wurden die Kostüme spärlicher, desgleichen, wo es an Tanz- und Darstellungstalent zu wünschen übrig ließ. Dabeisein und Spaß haben hieß die Devise, alles andere war egal. In diesen Nächten kochte Rio. Lebensfreude und Freizügigkeit überschwemmten alles andere, verdrängten Sorgen und Nöte, schlossen Armut und Reichtum in einen gemeinsamen Taumel wilden Vergnügens und heißer Leidenschaft. Überall dröhnte die mitreißende Musik, überall wurde getanzt; es wurde geliebt, gelacht, gestohlen und gemordet. Das war die Kehrseite der Medaille; ungezügelter Freiheit stand ungezügelte Kriminalität gegenüber. Doch wer wollte daran schon denken? Man lebte allein für diesen Augenblick, für die Show, für den Genuß.
    Von einem Dachvorsprung aus beobachteten sie zu dritt den Festzug und bewunderten die fantastischen und teilweise mehr als freizügigen Kostüme. Nicole schmunzelte angesichts zahlreicher Mädchen, die es sich einfach gemacht hatten und nur ein paar Perlen, Muscheln und winzige Tangas trugen - was naturgemäß Zamorra besonders zusagte. »Die den Zug übertragenden Fernsehanstalten«, grinste sie, »sind angewiesen worden, im Sinne der öffentlichen Moral die Kameras nicht auf die Nackten zu richten. Und ich habe das dumpfe Gefühl, daß die leere Stadtkasse, über die unser Freund Careio seufzte, unter anderem auch deshalb so leer ist, weil man in einer beispiellosen Aktion Gratis-Kondome an jedermann verteilt hat… na, wenigstens ist da endlich mal Geld für einen guten Zweck ausgegeben worden…«
    »Woher hast du denn diese Weisheiten?« wollte Zamorra
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