Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0462 - Der Witwenmacher von New York

0462 - Der Witwenmacher von New York

Titel: 0462 - Der Witwenmacher von New York
Autoren:
Vom Netzwerk:
schickte. Das ist nun einmal so in italienischen Familien. Aber ich war noch nie in meinem Leben in Amerika. Allein deswegen sind die Anschuldigungen, ich wäre ein Komplice meines Vaters, völlig aus der Luft gegriffen. Nur mein Vater hat es so den Mafiamitgliedern geschildert. Sie sollten Angst vor mir haben, Angst vor seinem Nachfolger. Das hat er auch gründlich geschafft. Sogar bei uns hat es in den Zeitungen gestanden. In meiner Heimatstadt nimmt kein Hund mehr ein Stück Brot von mir. Der Mafia-Führer, heißt es, wenn man mich sieht.«
    Unverwandt hatte ich in die offenen Gesichtszüge des jungen Mannes gestarrt. Sein Atem ging immer keuchender, immer schwerer. Seine Worte waren eine einzige Anklage gegen die Umwelt. Sie hatte ihn zum Verbrecher gestempelt. Ich begriff mit einem Male die ganze Tragik seines Lebens. Und ich glaubte ihm jedes Wort.
    Wir sprachen noch lange zusammen. Sehr lange und ausführlich.
    Ruffiosos Stimme wurde immer leiser, doch seine Bitte immer dringender.
    Er hatte einen großen Wunsch, einen Wunsch, der mir anfangs in seiner Ungeheuerlichkeit fast den Atem verschlug. Aber Enrico Ruffioso war ein ehrlicher Mensch. Das Schicksal hatte ihm übel mitgespielt. Deswegen war er in dieser Lage.
    Er starb nach sechs Stunden. Ohne eine Klage, aber mit einem wehmütigen Lächeln auf den Lippen. Er starb genau in dem Augenblick, als ich meine Hand hob und ihm feierlich versprach:
    »Enrico, ich werde genauso handeln, wie du es dir vorgestellt hattest.«
    Ich glaube, er hörte meine letzten Worte noch.
    Das kleine Mädchen im Boot schlief. Es merkte nicht, wie sich meine Hände ausstreckten und behutsam über das Gesicht Enrico Ruffiosos glitten.
    Ich drückte meinem Freund die Augen zu. Denn der Tote, der neben mir auf den feuchten Wülsten des Schlauchbootes lag, den die Welt für einen bestialischen Mörder hielt, war mein Freund geworden.
    Nur Stunden hatten wir uns gekannt. Aber für uns war es eine Ewigkeit gewesen. Eine Ewigkeit, die uns auch über den Tod hinaus noch zusammenschmiedete und verband —.
    ***
    Phil spürte, wie das Blut in seinen Adern hämmernd pochte. Mühsam versuchte er die Augen zu öffnen. Er befand sich noch immer in dem Wagen.
    Draußen wurde es dunkel. Er konnte nicht mehr feststellen, wohin sie fuhren. Er merkte nur, daß sie New York schon längst hinter sich gelassen hatten.
    »Versuch das nicht noch einmal, G-man«, knautschte eine Stimme neben ihm. Er wandte den Kopf und blickte in das nichtssagende Gesicht eines Gorillas.
    Der Mercury bog schlitternd von der Highway ab, glitt über eine Seitenstraße und holperte dann einen Feldweg entlang. Plötzlich bremste der Fahrer ab.
    »Raus«, kommandierte der Gorilla. Der Fahrer war schon ausgestiegen.
    Phil blickte jn die Mündung ihrer Pistolen. Sie ließen ihm nicht die geringste Chance. Gehorsam erhob er sich und stellte sich neben den Wagen.
    Im Mondschein schimmerte die glitzernde Wasseroberfläche eines Teiches tief in einer Schlucht. Wahrscheinlich ein alter Steinbruch, in dem das Grundwasser gestiegen war.
    »Geh schön weiter«, knurrte der Killer.
    Phil begriff, was sie mit ihm vorhatten. Er sollte bis zum Rand des Abgrunds gehen. Dann würde er eine Kugel verpaßt bekommen.
    Keine schlechte Idee. Vielleicht würde man seine Leiche nie finden, vielleicht erst nach ein paar Wochen. Phil wußte nicht, wie abgelegen dieser Ort war.
    »Kann ich eine Zigarette haben?« fragte er mit heiserer Stimme.
    »Warum will der G-man noch rauchen?« meckerte einer der Gangster.
    »Schnauze«, meinte der andere. Phil sah, wie er aus dem Dunkel auf ihn zutrat und ihm eine Zigarette reichte. Seine beiden Kumpane kamen auch näher. Sie bildeten einen Ring um ihn, aus dem es kein Entweichen gab.
    Vorsichtig rutschte Phils Hand in die Tasche. Sie hatten ihm die Streichhölzer gelassen.
    Die Gangster beobachteten ihn genau. Nicht einen Augenblick ließen sie ihn aus den Augen.
    Phil nestelte ein Schwefelholz aus dem Kästchen und führte es zur Reibfläche. Seine Muskeln strafften sich, der Körper war sprungbereit.
    Er kniff die Augen zu und zündete das Streichholz an. Langsam tastend führte er es zur Zigarette. Er wartete, bis die Flamme des Holzes an seinen Fingerkuppen leckte, dann löschte er es. Im gleichen Augenblick riß er die Augen wieder auf. Deutlich sah er seine Feinde.
    Aber sie sahen ihn nicht! Vor ihren Pupillen gab es nur die gräuliche Silhouette einer gerade verlöschten Streichholzflamme.
    Phil hatte nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher