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0458 - Der Zombie-Zug

0458 - Der Zombie-Zug

Titel: 0458 - Der Zombie-Zug
Autoren: Jason Dark
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alten Gelände brannte nicht eine Laterne. Die Dunkelheit hatte sich wie ein Schwamm über die Gebäude gelegt. Wieder spielte der Wind mit nicht sehr fest sitzenden Balken und Gegenständen.
    Das Klappern hörte sich an wie das Hohngelächter eines lebenden Skeletts.
    »Eine Botschaft«, flüsterte die alte Frau. »Ich fühle, daß es eine Botschaft ist.«
    »Von wem?«
    Sie lachte, blieb stehen und bewegte ihren rechten Arm im Halbkreis. »Hier ist alles anders geworden. Seit mein Mann starb, umgibt er mich als Geist. Ich spüre ihn, ich merke, daß er mich beobachtet, er ist mir nahe wie selten…«
    Der Polizist fühlte sich unbehaglich. Die alte Frau kam ihm plötzlich unheimlich vor. Er mußte an die Kräuterhexen der vergangenen Jahrhunderte denken. So einen Eindruck machte Mrs. Claim auch.
    Sah sie tatsächlich mehr als andere?
    »Kommen Sie, Konstabler.« Sie faßte wieder nach seinem Arm.
    »Kommen Sie mit mir. Vielleicht sehen Sie ihn auch, wenn er mich holt.«
    Der Polizist erwiderte nichts. Er hatte den Zug schließlich gesehen.
    Es war auch nicht unmöglich, daß er in dieser Nacht wieder im Bahnhof eintraf von einer Reise oder Rundreise, die von der normalen Welt ins Jenseits führte oder umgekehrt.
    Mrs. Claim hatte es eilig. Auch der Konstabler mußte größere Schritte machen, aber Madge löste sich von ihm und lief jetzt schneller. Mit ungewöhnlich schaukelnden und trippelnden Bewegungen eilte sie voran, streckte den Arm aus und wies mit dem Zeigefinger gegen die düsteren Gebäude des alten Bahnhofs.
    »Ich komme, Gilbert. Ich komme. Du wirst mich finden…«
    Sie hatte die Rückseite mittlerweile erreicht und drückte ihre Schulter gegen eine schmale Tür, die einen derartigen Stoß nicht gewohnt war und aus den Angeln kippte. Mit einem lauten Knall fiel sie vor der alten Frau zu Boden, die sich darum nicht kümmerte und über die Tür hinwegstieg.
    Der Konstabler schüttelte den Kopf. Er konnte Madge nicht begreifen. Sie war in der letzten halben Stunde eine andere geworden, als würde in ihrem Innern ein Fremder sitzen, der ihre Seele an sich gerissen oder ausgetauscht hatte.
    Der Konstabler ließ sich mehr Zeit. Etwa eine halbe Minute später traf er im alten Wartesaal ein und setzte sich zu Mrs. Claim auf die Bank.
    Das Holz bog sich unter dem Gewicht der beiden Menschen. Zudem schaukelte die Frau noch und begann damit, ein altes schottisches Volkslied zu summen, was Field wiederum verwunderte.
    »Sind Sie so fröhlich?« fragte er.
    Die Frau nickte, ohne mit ihrem Summgesang aufzuhören.
    Der Polizist nahm die Taschenlampe und leuchtete den Wartesaal aus. Er strahlte in jede Ecke, auch gegen die Wände und ließ den Kreis ebenfalls über die Decke wandern.
    Boden, Wände und Decke sahen gleich schmutzig aus. Spinnweben hatten sich in den Ecken festgesetzt. Sie schaukelten im durch die offene Tür dringenden Wind.
    Das Summen verstummte. Dafür beugte sich die Frau vor, als würde sie etwas hören.
    »Haben Sie was, Mrs. Claim?«
    »Ja!« hauchte sie. »Ja, ich glaube, er ist auf dem Weg zu mir. Ich kann ihn bereits spüren.« Sie drehte sich zu Field hin um. »Ist es nicht herrlich?« fragte sie leise und betonte dabei jede Silbe. »Wir warten auf einen Toten. Das ist doch etwas Wunderbares.«
    Der Konstabler hob die Schultern. »Ich komme da nicht so mit, könnte mir aber etwas Besseres vorstellen.«
    »Wie Sie meinen.« Mrs. Claim stand plötzlich auf und griff gleichzeitig nach den Hornbügeln der alten Tasche.
    »Wo wollen Sie hin?«
    In einem vorwurfsvollen Ton antwortete sie: »Man erwartet seine Angehörigen und Freunde nicht außerhalb, sondern auf dem Bahnsteig. Ich will sehen, wenn er aussteigt und mich in die Arme schließt.«
    Der Konstabler schüttelte sich. Er konnte sich wahrlich etwas Besseres vorstellen, als von einer kalten Leiche umarmt zu werden.
    Trotzdem durfte er die Frau nicht allein gehen lassen, die es sehr eilig und den Warteraum bereits verlassen hatte.
    Er sah sie auf dem hölzernen Bahnsteig stehend, und sie schaute nach rechts. Wahrscheinlich würde von dort der Zug erscheinen.
    Das war auch bei Field so gewesen.
    »Sagen Sie jetzt nichts, Konstabler!« raunte die Frau. »Bleiben Sie still und lauschen Sie.«
    »Worauf?«
    »Das werden Sie schon hören.«
    Kaum hatte Madge Claim die Worte ausgesprochen, als weit entfernt und tief in der Nacht der schrille Pfiff einer Lokomotive erklang. Field schrak zusammen, Mrs. Claim aber richtete sich auf und schien um
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