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0446 - Höllenfrost

0446 - Höllenfrost

Titel: 0446 - Höllenfrost
Autoren: Werner Kurt Giesa
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nächsten Moment berührte eine Messerspitze seinen Hals.
    ***
    »Ich habe einen Auftrag für dich«, sagte Leonardo deMontagne.
    Vor ihm verneigte sich eine schöne Frau, deren nackter Körper von dunklen Flammen umlodert wurde. Aus ihrer Stirn wuchsen Hörner, und auf ihrem Rücken ein mächtiges Flügelpaar, das jetzt, da sie nicht flog, zusammengefaltet war.
    Die Dämonin Stygia fragte sich, warum der Fürst der Finsternis ausgerechnet sie zu sich gerufen hatte. Wußte er nicht, daß sie seine heimliche Feindin war? Sie gehörte zu denen, die ihre Intrigen spannen. Sie wollte davon profitieren, daß der Fürst der Finsternis geschwächt war. Und sie wollte ihn von seinem Knochenthron fegen.
    Noch besaß sie nicht die Macht dazu. Noch mußte sie vorsichtig sein, durfte sich keine Blöße geben.
    Dennoch wunderte sie sich. Warum ausgerechnet sie? Es war ohnehin schon erstaunlich, daß der Fürst der Finsternis jemanden zu sich rief. In der letzten Zeit hatte er sich fast völlig abgeschottet. Er zeigte sich nicht mehr in der Öffentlichkeit, er unternahm nichts mehr, erteilte keine Befehle. Es war, als brüte er nur noch meditierend vor sich hin.
    Und jetzt hatte er Stygia vor den Knochenthron zitiert.
    Sie richtete sich wieder auf und sah ihn an. Sie versuchte, an ihm Anzeichen von Schwäche zu bemerken. Doch es gelang ihr nicht. Entweder hatte er seine Schwäche überwunden, oder er verstand es ausgezeichnet, sich zu verstellen.
    »Ich höre, mein Fürst«, sagte Stygia. Sie war mißtrauisch. Wollte er sie mit einem Todeskommando beauftragen, um sie als eine seiner gefährlichsten Gegnerinnen auszuschalten? Möglich war das…
    »Spüre dieses Wesen auf«, sagte Leonardo.
    Noch ehe Stygia eine Frage nach der Identität besagten Wesens stellen konnte, geschah etwas Seltsames. Schlagartig wurde ihr eigenes Denken abgeschaltet. Dafür brannte sich ein Eindruck in ihr Gedächtnis ein. Sie verstand das Bild nicht zu deuten, obgleich ihr dämonischer, magischer Verstand auf eine ganz andere, effektivere Weise arbeitete als der selbst des genialsten Menschen. Da war etwas Silbernes, etwas Mächtiges, das in den unerreichbaren Tiefen von Raum und Zeit schlief und träumte, und da war…
    ...das Bewußtseinsmuster eines - Menschen?
    Oder eines magischen Wesens?
    Es prägte sich ihr ein, und sie erkannte, so fremdartig es ihr auch war, daß es sich um das mentale Muster eines noch jungen, unerfahrenen Wesens handelte. Es war noch nicht von Erfahrungen und Schicksalsschlägen gezeichnet, war noch formbar.
    Von einem Moment zum anderen war sie wieder gedanklich frei, aber ihr Gedächtnis hatte das Bewußtseinsmuster gespeichert.
    Sie wußte nicht, wie Leonardo deMontagne das gemacht hatte. Mit dieser Art der Informationsübermittlung hatte er eine ganz neue Fähigkeit gezeigt, von der die anderen Dämonen bislang nichts gewußt hatten.
    »Fürst, wer ist dieses Wesen?« fragte Stygia, die ein Abbild dessen vermißte, dessen Bewußtseinsmuster ihr gezeigt worden war. Daß dieses Wesen männlichen Geschlechts war, hatte sie immerhin erkannt.
    Leonardo deMontagne beugte sich auf seinem Knochenthron vor. Seine Hände, die schmal und dürr geworden waren und deren Finger an Spinnenbeine erinnerten, umklammerten die bleichen Schädel, die die vorderen Abschlußverzierungen der Armlehnen aus Oberschenkelknochen bildeten. Mehr denn je glich sein Gesicht in seinen Zügen dem einer Kröte, und in seiner Stirn war blutrot die Narbe zu sehen, die Bill Flemings Silberkugel nach einem Volltreffer hinterlassen hatte.
    »Das Telepathenkind!« stieß Leonardo haßerfüllt hervor.
    Stygia zuckte zusammen.
    »… ist doch tot, Herr!« entfuhr es ihr. »Habt nicht ihr selbst es ausgelöscht kurz nach seiner Geburt?«
    »Seine unheimlichen, uns bedrohenden Fähigkeiten zeigen sich darin, daß ich seinerzeit getäuscht worden sein muß«, sagte Leonardo rauh. »Ich besitze absolut sichere Informationen darüber, daß es dieses Wesen noch gibt.«
    »Woher, Herr?«
    Der dachte nicht daran, seine Quelle preiszugeben. In der Hölle brauchte niemand zu wissen, daß er eines der sieben Amulette besaß. Das war sein letzter Joker, weil er sich mit diesem Amulett notfalls auch gegen Angriffe intrigierender und umstürzlerischer Dämonen wehren konnte, wenn seine eigene Kraft nicht mehr ausreichte.
    »Ich weiß es, und das genügt«, sagte er schroff. »Finde dieses Wesen. Vernichte es. So schnell wie möglich.«
    »Aber wie?« fragte Stygia verblüfft.
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