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044 - Die Millionengeschichte

044 - Die Millionengeschichte

Titel: 044 - Die Millionengeschichte
Autoren: Edgar Wallace
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versiegelten Umschlag in meiner Wohnung im Schreibtisch zurückgelassen. Er wird dann später mit all den anderen kleinen Andenken gefunden werden... Schließlich war mein Leben doch nicht ganz umsonst. Wer weiß, wo ich ruhn werde in dieser Nacht?«
    Sorgsam löschte er die Karte ab und las noch einmal jede Zeile aufmerksam durch. Wie würde ihr das Herz weh tun, wenn sie diese Worte sah! Zögernd legte er den Brief unter das länglich flache Etui und wickelte sorglich das Silberpapier und das blaue Seidenband darum. Dann steckte er alles in ein längliches Kuvert, schlich sich heimlich und leise zu Lettys Haus, öffnete die Klappe des Briefeinwurfs und ließ den Brief hineinfallen. Die Adresse war ganz schlicht gehalten: »An Letty von F. S.«
    Er richtete sich auf und holte tief Atem. Er hatte etwas Großzügiges getan. Es war wirklich ein edler Akt der Selbstlosigkeit, das Geschenk war ebenso wertvoll wie der Schenkende. Ferdie wußte, daß er sich nicht falsch beurteilt hatte. Und doch...
    Ferdie saß wieder zu Hause in seinem Lehnsessel.
    Und doch...?
    Hatte er sich in ihren Augen nicht zu sehr erniedrigt? War das nicht eine vollkommene Aufgabe seiner Persönlichkeit? War er nicht dauernd im Recht gewesen? Was hatte sie gesagt? Morgen würde er wieder auf dem bunten Teppich vor ihr knien? Er erinnerte sich noch genau an das Muster. Nein, das gab es nicht! Hätte er nicht besser nur eine einfache Weihnachtskarte geschickt? Dort stand noch eine auf dem Kamin. Seine Amme hatte sie ihm gesandt und nur eine gedruckte Visitenkarte zugefügt. Er nahm sie in die Hand und betrachtete sie genauer. Es war eine blaue Landschaft mit einem blauen Häuschen und einem weißen Mond. Boden und Dach waren mit weißem Flitter bestreut, der in dem Schein der Lampe glitzerte und leuchtete.
    Aber dann biß sich Ferdie auf die Oberlippe. Am Ende würde sie ihn auslachen und bemitleiden, diesen armen Jungen, der sich so töricht benahm. Nein, so schnell durfte er nicht zu Kreuze kriechen!
    Ferdie erhob sich und streifte die Pantoffeln ab.
    Natürlich würde sie Poggy das alles erzählen...
    Schnell nahm er die Karte vom Kamin und schrieb darunter: »Frohe Weihnachten. F.« Dann steckte er sie in ein Kuvert.
    Irgendwo im Büfett mußte doch eine silberne Eiszange liegen, damit konnte man das Päckchen wieder aus dem Briefkasten herausfischen. Er war wirklich umsichtig, das Zeugnis mußte er sich selbst ausstellen, als er die lange Silberzange in die Manteltasche steckte.
    »Wenn es darauf ankäme, würde ich ein gefährlicher Verbrecher werden«, sagte er müde und mit einem bitteren Lächeln.
    Draußen hielt er ein Taxi an und fuhr nach Langham Place. Dort entließ er den Chauffeur und ging zu Lettys Wohnung. Es regnete immer noch, aber inzwischen war der Regen feiner geworden, und ein leichter Nebel hatte sich hinzugesellt. Um Weihnachten herrscht meistens solches Wetter in England.
    Aus den Häusern tönte jetzt lustige Tanzmusik. Ohne es recht zu wissen, ging Ferdie im Takt den Bürgersteig entlang.
    Eine nahe Turmuhr schlug zwei.
    Das Haus Nr. 74 war vollkommen dunkel, als er an die Tür herantrat. Im nächsten Augenblick faßte er mit der Eiszange in den Briefkasten, zog ein Päckchen heraus, das ihm bekannt vorkam, und steckte es schnell in die Tasche.
    »Hallo, was machen Sie denn hier?«
    In seiner Aufregung ließ Ferdie die silberne Zange fallen, so daß sie klirrend aufs Pflaster fiel.
    »Ach, ich bitte um Verzeihung«, sagte er. »Vergnügte Weihnachten.« Etwas anderes fiel ihm im Augenblick nicht ein.
    »Ja, und auch ein vergnügtes neues Jahr«, erwiderte der große Polizist, der geräuschlos auf ihn zutrat. »Sie kommen jetzt mit mir nach der Marylebone Lane.«
    »Wenn Sie sich einbilden, daß ich um diese Zeit einen großen Spaziergang mache, dann haben Sie sich aber geschnitten! Im Sommer, bei Sonnenschein und Blütenduft, blauem Himmel und weißen Wolken, ist das etwas anderes...«
    »Also, kommen Sie jetzt in aller Ruhe mit?«
    Die Worte klangen drohend, und Ferdie wurde es nun doch seltsam zumute. Er hielt sich an dem eisernen Geländer fest.
    »Sind Sie ein Polizist?«
    »Ja, Sergeant M'Neill. Vorwärts, mein Junge, ich habe Sie schon eine ganze Weile beobachtet.«
    Er packte Ferdie am Arm, und sie gingen beide die Straße entlang.
    »Na, wo ist denn Ihr Spezel Lew?« fragte der Beamte. Ferdie wußte nicht recht, was der Mann meinte.
    Auf der Polizeistation sah er sich einem ärgerlichen Sergeanten gegenüber, der
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