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044 - Die Millionengeschichte

044 - Die Millionengeschichte

Titel: 044 - Die Millionengeschichte
Autoren: Edgar Wallace
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bewußt war. Sie hatte ihren Verlobungsring mit dem großen Brillanten vom Finger gezogen und neben sich auf den Tisch gelegt. Ferdie sah beunruhigt auf den Ring, dann auf sie.
    »Es hat keinen Zweck, daß wir diese peinliche Unterhaltung noch fortsetzen«, erklärte sie entschieden. »Ich mußte eben erleben, daß meine Ideale zusammenbrachen...«
    »Was soll das heißen? Zusammenbruch deiner Ideale? Das klingt fast wie ein Kinodrama von Liebe und Aufopferung.«
    »Sei ruhig - wir wollen uns trennen, ohne noch eine große Szene zu machen«, erwiderte sie und reichte ihm die Hand. »Ich werde dich niemals vergessen, Reggie.«
    Er machte ein verzweifeltes Gesicht.
    »Es hat gar keinen Zweck, dir noch zu sagen, daß ich Ferdinand heiße. Du hast dich schon genügend blamiert.«
    Wütend nahm er den Ring.
    »Untersteh dich nur nicht, ihn ins Feuer zu werfen«, warnte sie ihn, als er ihn anklagend hochhob.
    »Da täuschst du dich aber sehr. Das Stück kostet hundertfünfundzwanzig Pfund. Abzüglich der zehn Prozent Nachlaß, die ich erhalten habe, weil ich den Direktor der Firma persönlich gut kenne. Meinst du, ich bin so blöde, daß ich ein solches Vermögen zum Fenster hinauswerfe? Ich wollte nur sehen, ob du den Ring verbogen hast! Aber du hast ihn wenigstens einigermaßen sorgfältig behandelt. Also, leb wohl, Letty.«
    Sie sah ihn so sonderbar an, daß er stehenblieb.
    »Sag mal, willst du jetzt auf die Löwenjagd gehen?« fragte sie ironisch.
    Er schaute sie stumm und verzweifelt an.
    »Oder willst du dir ein Haus mitten in einer Fiebergegend von Zentralafrika bauen? Wenn du mir früher solche Geschichten erzähltest, habe ich sie geglaubt, Ferdie. Ja, ich habe sogar einmal einen großen Aufruf in die Zeitung gesetzt und an verschiedene Blätter geschickt, die in Zentralafrika gelesen werden, aber am selben Abend sah ich dich dann bei Chiro, wo du Molly Fettingham den neuesten Tango beibrachtest. Ferdie, bedenke, daß du hier zu einer Frau sprichst, die schwer gelitten hat.«
    »Das darfst du mir nicht vorwerfen. Ich versäumte damals den Dampfer.«
    »Natürlich. Du hattest ja genug damit zu tun, Mollys weit ausgeschnittenen Rücken zu bewundern. Ich kenne dich zur Genüge. Du gehst doch nicht fort, vor allem nicht nach Afrika. Morgen kniest du wieder hier zu meinen Füßen.«
    Sie zeigte auf die Teppichstelle vor sich, und Ferdie sah sich das Muster genau an.
    Durch das offene Fenster kamen die sanften Klänge der Kirchenglocken und der Weihnachtslieder. Eine Kapelle der Heilsarmee spielte an der nächsten Straßenecke. Ferdie erkannte sie an dem verstimmten hohen E der Ersten Trompete.
    »Das ist also der Weihnachtsabend«, sagte er bitter.
    »Ja, heute ist der Vierundzwanzigste - wußtest du das denn nicht?«
    »Und morgen ist der erste Weihnachtsfeiertag. Da hast du natürlich diesen Jüngling mit den Schweineschmalzlocken -deinen Poggy - hier. Dann kannst du ihm ja vorsingen: ›Wer weiß, wo ich ruhn werde in dieser Nacht!‹, und du kannst dir die Seiten halten vor Lachen, wenn er seine kindlichen Witze erzählt, die nicht einmal auf seinem eigenen Mistbeet gewachsen sind. Leider geht heute abend kein Dampfer nach Asien, aber vielleicht denkst du später einmal daran, wenn ich fort bin, daß ich einsam in einer Kneipe sitze und mein Elend in Bier ertränke - ganz allein!«
    »Sicher brauchst du niemand zur Unterstützung, wenn du Bier trinken mußt«, entgegnete sie eisig. »Ferdie, ich wünsche dir ein fröhliches Fest. Es liegt ja kein Grund vor, warum wir nicht auch fernerhin gute Freunde bleiben sollen. Ich habe leider schon seit einiger Zeit erkannt und mich zu der Überzeugung durchgerungen, daß wir unserem Temperament nach nicht zusammenpassen. Und heutzutage haben sich die Zeiten geändert, eine Frau hat mindestens auch das Recht, sich ihre Freunde auszuwählen.«
    »Eine Frau!« sagte er und geriet wieder in Harnisch. »Weißt du noch, daß ich vor einem Jahr in den Weihnachtsferien jeden Tag hergekommen bin und mir die größte Mühe gegeben habe, dir Mathematik einzubleuen, damit du ein anständiges Schulzeugnis bekommst? Wer hat denn die halben Nächte hier gesessen, nur um dir gefällig zu sein und dir zu helfen?«
    »Die Vergangenheit ist für mich tot«, sagte sie würdevoll.
    »Natürlich... Was bist du doch für eine elegante, große Dame von Welt!«
    Bisher hatte sie sich beherrscht und war ruhig geblieben, aber jetzt sprang sie auf. Sie hätte die große Dame von Welt weiterspielen
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