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043 - Der Mann von Marokko

043 - Der Mann von Marokko

Titel: 043 - Der Mann von Marokko
Autoren: Edgar Wallace
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lächelte nachsichtig über die sarkastische Bemerkung.
    »Das nicht gerade. Ich interessiere mich nur für sie. Es kommt mir vor, als hätte ich sie schon vor Jahren einmal gesehen. Ich vermute, daß sie mich noch kennt. Hat sie Ihnen etwas davon gesagt?«
    »Sie hat Ihren Namen niemals erwähnt -wahrscheinlich, weil ich mit ihr nicht über Sie gesprochen habe«, antwortete Joan etwas erstaunt.
    »Ich glaube mich daran zu erinnern, daß sie nicht ganz richtig im Kopf war - sie war ein Jahr in einer Irrenanstalt.«
    Joan lachte laut auf.
    »Ausgezeichnet! Wer von meinen Freunden nicht gerade ein Verbrecher ist, wird von Ihnen für wahnsinnig erklärt!«
    »Ich wußte nicht, daß er Ihr Freund ist«, sagte er schnell und trat an sie heran.
    »Mr. Morlake ist unser Nachbar, und Nachbarn sind nach alter Sitte unsere Freunde. Wir gehen jetzt aber besser hinein.«
    »Einen Augenblick noch.«
    Er nahm ihren Arm, und sie machte sich durch eine leichte Bewegung wieder frei: »Was wollen Sie mir denn noch sagen?«
    »Hat Ihr Vater über meinen Antrag mit Ihnen gesprochen?«
    »Ja, es war die Rede davon«, erwiderte sie gleichgültig. »Ich erklärte ihm, daß ich nicht den Wunsch habe, Sie zu heiraten, obwohl ich gut verstünde, welches Kompliment Sie mir mit Ihrem Antrag machten.«
    Hamon räusperte sich. »Erwähnte er auch die Tatsache, daß in Wirklichkeit ich der Eigentümer der Creithschen Güter bin?«
    »Auch das hat er mir gesagt.«
    »Ich nehme an, daß Ihnen das Stammhaus der Creith doch ein wenig am Herzen liegt? Ihre Vorfahren haben es seit Hunderten von Jahren besessen!«
    »Sicher, es ist mir sehr teuer«, entgegnete sie steif. »Aber es ist mir doch nicht so kostbar, daß ich das Glück meines Lebens opfern würde, um den Titel einer Herrin von Creith zu behalten. Es gibt noch viel schlimmere Dinge, als heimatlos zu sein, Mr. Hamon.«.
    Sie machte eine Bewegung, als ob sie gehen wollte, aber wieder hielt er sie zurück.
    »Warten Sie noch«, sagte er leidenschaftlich. »Joan, ich bin zwanzig Jahre älter als Sie, aber Sie sind die Frau, von der ich geträumt habe, solange ich denken kann. Es gibt nichts, das ich nicht für Sie tun könnte, kein Dienst wäre mir zu schwer. Ich muß Sie besitzen!«
    Bevor sie wußte, was geschah, hatte er sie in die Arme geschlossen. Sie wehrte sich und wollte sich frei machen, aber er umklammerte sie fest.
    »Lassen Sie mich gehen - wie dürfen Sie das wagen!«
    »Ruhe!« zischte er. »Ich liebe Sie, Joan, obwohl Sie mich mit Ihrem Hochmut tief gekränkt haben. Ich liebe Ihr süßes Gesicht, Ihre Augen, Ihren herrlichen, schlanken Körper . . .«
    Sie bog den Kopf zur Seite, um dem Kuß seiner gierigen Lippen zu entgehen. Im selben Augenblick klang die Stimme ihres Vaters von der Halle zu ihnen herüber.
    »Bist du noch draußen, Joan?«
    Hamon ließ die Arme sinken, und sie taumelte zitternd vor Schrecken und Abscheu zurück.
    »Es tut mir sehr leid, daß ich mich so vergaß«, flüsterte er.
    Sie konnte nicht sprechen und zeigte nur zur Tür. Er verließ sie und ging hinein. Erst nach einigen Minuten folgte sie ihm.
    Lord Creith schaute mit seinen kurzsichtigen Augen prüfend auf seine Tochter.
    »Ist etwas passiert?« fragte er, als er ihre Blässe bemerkte.
    »Nein, Vater.«
    Er sah sich um. Hamon war verschwunden.
    »Ein Mensch ohne Erziehung - ich werde ihn aus dem Hause weisen, wenn du es wünschest, mein Liebling.«
    »Ach, das ist nicht notwendig. Aber wenn er morgen nicht von selbst verschwindet, wollen wir dann nicht lieber nach London gehen?«
    »Ja, das wollen wir tun.«

7
    Joan begab sich gleich in ihr Zimmer. Sie wollte nicht noch einmal mit dem Mann zusammentreffen, in dessen Augen sie vorhin die Abgründe menschlicher Leidenschaften entdeckt hatte. Sie fühlte sich körperlich krank, als sie sich die schrecklichen Augenblicke auf dem Rasen ins Gedächtnis zurückrief.
    Müde setzte sie sich vor dem Spiegel nieder und ließ alle Eindrücke noch einmal an sich vorüberziehen. Hamons Enthüllungen über James Morlake hatten den größten Sturm der Entrüstung in ihr wachgerufen. Das konnte nicht wahr sein - und doch hätte Hamon nicht gewagt, eine derartige Anklage auszusprechen, wenn er keine Beweise dafür hatte.
    Sie stand auf, öffnete eine der breiten Türen und trat auf den Steinbalkon über der Einfahrt hinaus. Grell leuchtende Blitze zerrissen den dunklen Nachthimmel. Sie hörte langhinrollende Donner, aber sie achtete nicht auf die düster drohenden
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