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043 - Der Mann von Marokko

043 - Der Mann von Marokko

Titel: 043 - Der Mann von Marokko
Autoren: Edgar Wallace
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sie furchtbar erschreckt, und sie dachte nicht länger daran, Morlake zu warnen. Unter Aufbietung all ihrer Kräfte riß sie sich zusammen und eilte den Fahrweg entlang.
    Sie versuchte, die großen, eisernen Tore zu öffnen, aber zu ihrer Bestürzung blieben ihre Anstrengungen vergeblich. Morlake mußte zugeschlossen haben, nachdem er Farringdon auf den Weg gebracht hatte. Was sollte sie nun tun?
    Vorsichtig schlich sie über den Rasen, doch auf dieser Seite war der Fluß. Sie wäre über die Mauer gestiegen, wenn sie nur eine Leiter hätte finden können.
    Plötzlich öffnete sich die Haustür abermals, und Joan verbarg sich aufs neue im Schatten, als Morlake heraustrat. Er ging schnell den Pfad hinunter, und sie hörte, wie das Tor hinter ihm zuschlug. Sie eilte hin, er hatte nicht abgeschlossen. Mit einem Seufzer der Dankbarkeit und Erleichterung schlüpfte sie hinaus.
    Nach wenigen Schritten war sie schon vollständig durchnäßt, denn der Regen strömte mit ungewöhnlicher Heftigkeit nieder. Das Rollen und Dröhnen des Donners betäubte sie, und das anhaltende Wetterleuchten und Blitzen blendete ihre Augen. Aber sie kämpfte sich vorwärts, und schließlich konnte sie die Tore von Creith House sehen. Sie fühlte in ihrer durchnäßten Handtasche nach dem Schlüssel und stellte zu ihrer Beruhigung fest, daß sie ihn noch bei sich hatte.
    Schnell durcheilte sie die Allee und war beinahe am Ziel, als sie entsetzt stehenblieb. Ihre Augen öffneten sich weit. Dicht vor sich sah sie im Licht der Blitze die Gestalt eines schwarzgekleideten Mannes, der bewegungslos mitten auf dem Weg stand. Sie konnte sein Gesicht unter dem breiten Rand des weichen Filzhutes nicht erkennen.
    »Wer sind Sie?« fragte sie mit zitternder Stimme. Bevor er antworten konnte, war plötzlich alles in Helligkeit getaucht, und ein furchtbarer Donnerschlag folgte unmittelbar. Joan wurde fortgeschleudert.
    Einen Augenblick war der Mann starr vor Schrecken, dann sprang er mit einem unterdrückten Ausruf vorwärts, hob sie auf und trug sie von dem brennenden Baum fort. In einem der Fenster des Herrenhauses erschien Licht. Die Bewohner waren erwacht - der große, brennende Walnußbaum mußte sie bald ins Freie locken.
    Der Mann schaute sich um und entdeckte eine Gruppe von Rhododendronsträuchern. Er konnte das bewußtlose Mädchen gerade noch hinter dieses Gebüsch tragen, bevor der Butler heraustrat.
    Der Fremde wußte nicht, wer Joan war. Er hielt sie für ein Dienstmädchen, das verspätet aus dem Dorf zurückkam, und er nahm sich auch nicht die Mühe, sie genauer zu betrachten. Dadurch wäre er wahrscheinlich auch nicht klüger geworden, denn Joans Gesicht war mit weicher Erde beschmutzt, in die sie glücklicherweise gefallen war.
    Sie kam bald wieder zu sich, öffnete die Augen und sah verzweifelt um sich. Jemand hielt ihren Kopf auf den Knien, ihr Gesicht war naß, und über ihr bewegten sich Zweige und Äste - wie mochte sie wohl hierhergekommen sein?
    »Ich glaube, es wird Ihnen bald wieder bessergehen.«
    Sie erkannte Jim Morlakes Stimme und starrte ihn betroffen an.
    »Was ist denn geschehen?« fragte sie. Dann entdeckte sie den schwelenden Baum und zitterte. Der Blitz hatte dort eingeschlagen, und nur durch ein Wunder war sie entkommen; »Ich danke Ihnen so sehr -« begann sie, als der Himmel wieder grell aufleuchtete.
    In dem hellen Schein sah sie, daß Morlakes Gesicht von den Augenbrauen bis zum Kinn von einer schwarzseidenen Maske verhüllt war . . .

8
    »Es ist also doch wahr - wirklich wahr«, sagte sie atemlos.
    Er hörte das Entsetzen in ihrer Stimme und schaute auf sie nieder.
    »Was soll wahr sein? Aber bitte sprechen Sie nicht zu laut, man wird Sie hören.«
    Sie versuchte, die Herrschaft über sich wiederzugewinnen.
    »Sie sind ein Einbrecher«, sagte sie endlich.
    »Glauben Sie . . . etwa wegen der Maske? Aber eine Maske macht noch keinen Einbrecher, so wenig wie eine Schwalbe einen Sommer macht. In einer so feuchten Nacht wie dieser muß sich ein Mann, der auf seinen Teint hält, natürlich gegen die Witterung schützen ... «
    »Ach, machen Sie doch jetzt nicht so dumme Scherze!«
    Gleich darauf wurde ihr klar, daß ihre Entrüstung nicht mit ihrer hilflosen Lage in Einklang stand. Sie lag auf dem feuchten Gras, ihr Gesicht... Sie hoffte, daß er es nicht sehen konnte, und wischte heimlich den dicken Lehm mit einem Zipfel ihres Regenmantels ab, den sie trotz des Unwetters in ihrer Aufregung über dem Arm getragen
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