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043 - Der Mann von Marokko

043 - Der Mann von Marokko

Titel: 043 - Der Mann von Marokko
Autoren: Edgar Wallace
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Wolken. Aus der Ferne schimmerte ein schwaches, gelbliches Licht zu ihr herüber, das die Lage von Wold House anzeigte.
    Wußte dieser sonderbare einsame Mann, daß man ihn verdächtigte? Mußte er nicht gewarnt werden? Sie wurde ungeduldig. Es war offenbar heller Wahnsinn, überhaupt an ihn zu denken. Sie kannte ihn nicht und hatte nur um sein ungewöhnlich anziehendes Gesicht allerhand phantastische Träume gesponnen. In der Nähe würden diese Illusionen sicher in nichts zerfließen. Und gerade jetzt wünschte sie das und haßte doch zugleich auch Hamon, weil er den ersten Argwohn in ihrem Herzen geweckt hatte.
    Wenn dieser Mensch die Wahrheit gesprochen hatte, schwebte Morlake in unmittelbarer Gefahr. Und wenn Hamon gelogen hatte, so führte er doch bestimmt Böses gegen ihn im Schilde.
    Mit schnellem Entschluß ging sie zum Schrank, nahm einen Regenmantel und einen Hut und legte beides auf ihr Bett.
    In Creith House zog man sich bald zur Ruhe zurück, aber erst um halb elf hörte sie, wie Stephens die Haustür verschloß. Nach einer weiteren Viertelstunde lag das Haus in tiefem Schweigen.
    Wieder trat sie auf den Balkon hinaus. Das Licht in Wold House brannte noch immer. Ohne Zögern nahm sie nun den Mantel über den Arm, den Hut in die Hand und schlich sich vorsichtig die breite Treppe zur Halle hinunter.
    Der Hausschlüssel hing an der Wand. Er war groß und unhandlich, so daß sie ihn kaum in ihre Tasche stecken konnte. Sie schob die Riegel leise zurück und schloß die Tür auf.
    Sie hatte keine Schwierigkeit, den Weg zu finden, denn die Blitze zuckten unaufhörlich am nächtlichen Himmel. Ihr Herz klopfte wild, als sie im Schatten der rauschenden Walnußbäume den Fahrweg entlangschritt. Bald befand sie sich auf der Hauptstraße.
    Sie war doch eine Närrin, sentimental und verrückt, sie benahm sich wie ein romantisch veranlagtes Schulmädchen. Ihre Vernunft suchte sie zurückzuhalten, aber ein starkes Gefühl, das nichts mit Verstand oder Überlegung zu tun hatte, ein Instinkt, der stärker war als jede Hemmung, trieb sie vorwärts.
    Was würden wohl die Nachbarn denken und sagen, wenn sie wüßten, daß sich Lady Joan Carston aufgemacht hatte, nachts einen amerikanischen Verbrecher zu warnen, der verhaftet werden sollte - einen Mann, den sie nicht einmal kannte und mit dem sie noch nie gesprochen hatte! Sie überdachte das alles mit kritischer Selbstironie.
    Inzwischen war sie zu der hohen Ziegelmauer gekommen, die Wold House umgab. Nur mit Mühe fand sie die Klinke des schmiedeeisernen Tores und drückte sie nieder. Das Licht, das sie bis dahin im Haus gesehen hatte, erlosch plötzlich, und das Gebäude lag nun in vollkommener Dunkelheit vor ihr.
    Sie hatte gerade einen Schritt auf das Haus zu getan, als sich die Tür unerwartet öffnete. Ein breiter Lichtschein fiel auf den Weg, und im Rahmen der Haustür sah sie die Silhouette einer Männergestalt. Blitzschnell zog sie sich in den Schutz der Bäume zurück. Hinter dem Fremden tauchte James Morlake auf, der leise auf ihn einsprach. Mit einer gewissen Genugtuung erkannte sie, daß er eine warme, sympathische Stimme besaß.
    »Fühlen Sie sich jetzt besser?« fragte Morlake.
    »Ja, ich danke Ihnen.«
    »Sie werden das Haus an der Straße sicher finden. Ich weiß nichts von einer Mrs. Cornford, aber ich glaube, daß neuerdings eine Dame dort wohnt.«
    »Es ist ganz unangebracht und unpassend von mir, daß ich hierherkomme ... aber ich bin vorhin eingekehrt... dieses schreckliche Gewitter drohte ... ich fürchte, ich bin betrunken.«
    »Das fürchte ich auch.«
    Es war also Mrs. Cornfords Patient, der Trinker. Die beiden stiegen zusammen die Treppe herunter. Der jüngere Mann schwankte ein wenig, und Morlake stützte ihn.
    »Ich bin Ihnen sehr verbunden - ganz gewiß -, mein Name ist Farringdon - Ferdie Farringdon . . .«
    Plötzlich sah Joan bei einem aufleuchtenden Blitz das hagere, unrasierte Gesicht des Mannes. Sie mußte sich auf die Lippen beißen, um einen Aufschrei zu unterdrücken, und sie klammerte sich entsetzt an einen Zweig des Lorbeerbusches, der sie deckte. Starr schaute sie den beiden nach, bis sie in der Dunkelheit verschwanden, und sie stand noch reglos, als James allein zurückkehrte.
    Sie beobachtete ihn genau, als er in das Haus ging und die Tür schloß. Dann wartete sie noch einige Zeit. Große Regentropfen begannen zu fallen, und die Blitze leuchteten greller.
    Die gespenstische Erscheinung des Betrunkenen mitten in der Nacht hatte
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