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0418 - Die Waldhexe

0418 - Die Waldhexe

Titel: 0418 - Die Waldhexe
Autoren: Werner Kurt Giesa
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diese Ausdünstung in immer neue Richtungen drängte.
    Endlich fragte jemand: »Wer?«
    »Hernando«, würgte Valdez hervor. »Es war Hernando!«
    Unter seinem Familiennamen Zoro kannte den Leutseligen hier kaum jemand, der keine Gelegenheit ausgelassen hatte, sich mit den Siedlern und Arbeitern zu verbrüdern.
    »Hernando? Hernando ist tot? Unmöglich! Das kann er nicht gewesen sein!«
    Stimmen brandeten auf. Einer widersprach dem anderen. Vasco Valdez interessierte es nicht, zu welchem Ergebnis die anderen kamen. Er wußte nur, was er gesehen hatte: Diese unmögliche Wolfsfährte in der noch warmen Asche — wieso überhaupt Wolf? Seit wann gab es in Brasilien denn Wölfe? - und den blonden Mann, den er schon Sekunden später nicht mehr finden konnte, und dann hatte er beobachtet, wie Hernando Zoro innerhalb weniger Minuten zum Greis wurde und starb, als er in der Siedlung anhielt!
    Das war nicht normal.
    Das war ein Alptraum — oder, wenn es Wirklichkeit war, Hexerei.
    Aber wer konnte diese Hexerei bewirkt haben?
    Valdez schwankte in die Bodega wie ein Betrunkener. Der Wirt hatte schon von einem anderen, dem durch den Gestank schlecht geworden war, von dem Staubzerfall gehört. Vasco Valdez war natürlich hier kein Unbekannter, und unaufgefordert schob Bastiano, der Wirt, ihm ein Glas Cognac hin, sein landesuntypisches Lieblingsgetränk.
    Er stürzte den Napoléon herunter wie Wasser.
    Den zweiten und dritten auch, und dann erst war er wieder halbwegs aufnahmefähig. Er begriff, daß der Mann tot war, den er schon als Schüler verehrt hatte. Hernando Zoro gab es nicht mehr.
    Er brauchte dem Wirt nichts zu erklären, weil der ja schon seinen Bericht gehört hatte. Bastiano stellte das vierte Glas vor Valdez auf die Theke.
    Vasco Valdez war noch stocknüchtern!
    Und er wäre es wieder geworden, falls er sich betrunken gefühlt hätte, als er sich umwandte, dem Wirt die rechte Seite zudrehte und im Hintergrund des Lokals an einem der kleinen Tische einen blonden Mann im verwaschenen, mehrfach geflickten Jeans-Anzug sitzen sah, vor sich ein halb gefülltes Bierglas.
    Sein Kopf flog herum.
    »Wer - wer ist der Mann da, Bastiano?«
    Der Wirt zuckte mit den Schultern.
    »Ein Fremder«, sagte er. »Spricht aber ohne jeden Akzent. Ich weiß nicht, wer er ist. Hat sich mir nur vorgestellt, ein Bier gefordert und sich dann da drüben hingehockt, Vasco.«
    Vasco Valdez glaubte den Mann im niedergebrannten Wald wieder vor sich zu sehen, der auch blond gewesen war. Hatte er nicht auch einen Jeans-Anzug getragen?
    Aber ganz sicher war er nicht, ob er nicht nur geträumt hatte. Aber seit der Besichtigung des Brand-Feldes schien alles nur noch ein Alptraum zu sein.
    Der Blonde schien aber gute Ohren zu haben. Valdez wie auch der Wirt hatten leise gesprochen. Trotzdem mußte der Fremde den Namen verstanden haben und auch, daß es um ihn ging.
    Er stand auf.
    Er kam langsam zur Theke, das Bierglas in der Hand, aus dem er einen großen Schluck nahm. Valdez verspannte sich. Er rechnete damit, angegriffen zu werden, aus welchen Gründen auch immer. Fremden gegenüber mußte man stets mißtrauisch sein. Man kannte sie nicht, und deshalb waren sie natürlich gefährlich. Jeder Fremde war ein Strauchdieb, Frauenschänder und Lump, solange er nicht in der Lage war, das Gegenteil zu beweisen — das hatte Valdez von Zoro gelernt.
    »Senhor Vasco Valdez? Sind Sie das?«
    Der Fremde sprach mit einer überraschend angenehmen Stimme. Er war jung, kaum älter als zwanzig Jahre, aber in seinen Augen war etwas, das Vasco nicht verstand. Die Farbe kam ihm ungewöhnlich vor, und es lag eine Weisheit in ihnen, die ein Zwanzigjähriger niemals haben konnte. Dieser Jeans-Typ war undurchschaubar, war fremd.
    Ist er überhaupt ein Mensch? durchfuhr es Valdez.
    Wenn er einer war, hätte er ruhig einmal zu einem Kamm greifen können. Sein Blondschopf war so wirr, als habe er seit seiner Geburt nichts davon gehört, daß man Haare auch durch Kämmen in eine gefällige Form bringen konnte.
    »Was wollen Sie von mir?« krächzte Valdez heiser und stürzte den vierten Cognac herunter.
    Bastiano füllte prompt nach. Männer wie Zoro und Valdez hatten unbegrenzten Kredit. Durch sie lebte diese Siedlung, und ohne sie starb sie. Zoro und sein Vertrauter hatten alles in der Hand, und wer gegen ihren Strom segelte, zerschellte wie ein Schiff auf dem Riff.
    »Ich soll Ihnen das hier geben, Senhor Valdez«, sagte der Fremde. »Von Silvana.« Und er zog aus der
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