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0403 - Das Auge des Jägers

0403 - Das Auge des Jägers

Titel: 0403 - Das Auge des Jägers
Autoren: Werner Kurt Giesa
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ziehen. Das war eigentlich ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher aber war, daß der dahinter liegende Raum schmal und leer war – und sich ein großes, graugrünes Seidentuch hindurchspannte wie eine Trennwand ohne Tür.
    Merlin spürte, daß dahinter etwas lauerte.
    »Ist da jemand?« fragte er halblaut.
    Ein Kichern wie das eines Wahnsinnigen ertönte. Dann ein donnerndes Gebrüll, ein Angriffsschrei. Jäh entstand ein Riß in dem Tuch. Spitze, scharfe Krallen einer gewaltigen Pranke rissen es auf. Dahinter sah Merlin ein Auge – rot, grün flackernd… und eine Bestie schnellte sich durch das aufgerissene Tuch vorwärts direkt auf ihn zu, um ihm die Klauen in Hals und Oberkörper zu schlagen.
    ***
    Jemand war in der Nähe der Hütte! Der Jagdinstinkt des Eremiten brach durch. Kam da ein Schatten? Es musste so sein. Die Schatten tauchten auf, um sich an ihrem Jäger zu rächen. Für damals.
    Irritierend war nur, daß dieser Schatten nichts von einem Schatten an sich hatte. Er musste anders sein. Aber das spielte keine Rolle. Er war durch die Luft hergekommen. Das reichte aus.
    Der Einsame verbarg sich hinter dem Vorhang, den er aufgespannt hatte. Er hörte, wie der Schatten die Hütte betrat. »Ist da jemand?« fragte er.
    Narr, dachte der Jäger und fuhr die Krallen aus. Jetzt bist du dran! Er kicherte, dann warf er sich vorwärts und stürzte sich durch den zerreißenden Stoff auf sein überraschtes Opfer, das nicht einmal mehr genug Zeit fand, um aufzuschreien.
    ***
    »Da!« schrie Gryf auf. »Wir haben ihn! Da ist das Echo!«
    Sie hatten es beide zugleich erkannt.
    Das Bild der goldenen Sichel, das sie zusammen mit ihrem gemeinsamen geistigen Ruf aussandten, war reflektiert worden. Der es empfangen hatte, hatte es auch erkannt. Da war das schwache Echo einer Antwort, der Versuch einer Ortsangabe, und dann – Panik, Angst…
    »Anpeilen! Schnell!«
    Die beiden Druiden stellten sich auf dieses blasse Echo ein. Wo immer es auch war, es musste von Merlin ausgehen. Wer sonst hätte die Sichel erkennen sollen? Es war fast unglaublich, bei den vielen Milliarden Fehlschlag-Möglichkeiten, aber sie hatten Merlin gefunden!
    Sie hielten sich noch immer bei den Händen. Der Kontakt war da.
    Sie schnellten sich beide gleichzeitig aus ihrer sitzenden Position empor, machten damit die entscheidende Bewegung und glitten gleichzeitig in den zeitlosen Sprung.
    Das Ungeheuer, eine schuppige Bestie mit roten Froschaugen und spitzen Krallen an den Pranken, warf sich auf einen nackten Mann, um ihn zu zerreißen.
    Gryf und Teri ließen sich los, packten gleichzeitig mit den Händen und ihren Para-Kräften zu und wollten die Bestie zurückschleudern bis an die gegenüberliegende Wand. Bloß wurden ihre Para-Kräfte absorbiert. Nur die Körperkraft kam zum Tragen.
    Die reichte aus, das Ungeheuer, das sich auf zwei Beinen bewegte, wenigstens von Merlin fernzuhalten. Die Bestie trat, kratzte, spie und versuchte, sich aus dem Griff der beiden Druiden freizukämpfen. Da sah Gryf, wie die Augen nicht nur rot funkelten, sondern immer wieder Schockgrün hindurchschimmerte.
    Druiden-Grün.
    Dieses seltsame Geschöpf mit dem ausgeprägten Vernichtungswillen musste einmal ein Druide gewesen sein…
    ***
    Zu dieser Zeit befanden sich Professor Zamorra und Nicole Duval auf dem Silbermond am Ufer des Toten Wassers.
    Es handelte sich um einen See, der nicht weit von der Druidenstadt entfernt lag. Aber es war kein normales Wasser, sondern eine ganz besondere Zusammensetzung, die ihm aber ähnelte und annähernd die gleichen Eigenschaften aufwies. Unter der Oberfläche wölbte sich auf dem Seegrund ein magischer Prallschirm in Kuppelform. Darunter befand sich der Friedhof der Druiden mit seinen Bernsteinsärgen.
    »Woher weißt du das?« erkundigte sich Nicole. »Gryf hat nichts davon erwähnt.«
    »Aber Sara Moon erzählte es damals. Und ich bin auch schon hier gewesen«, versetzte Zamorra. »Nicht im Friedhof direkt, aber ich habe ihn deutlich sehen können. Erinnerst du dich an unsere Ankunft und daran, daß wir von Wächter-Druiden verhaftet und mit den Transportvögeln zur Stadt gebracht wurden?«
    Nicole nickte. »Du hast davon erzählt, daß du einen der Vögel unter Kontrolle nehmen wolltest und er dich irgendwo in der Landschaft sitzen ließ. Du erreichtest einen Flußlauf, wurdest von Krakenarmen unter Wasser gezogen und lerntest diesen Superkraken kennen.«
    »Siebenauge habe ich ihn genannt«, sagte Zamorra. Er nickte. »Er ist einer der
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