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040 - Paris, Stadt der Sünde

Titel: 040 - Paris, Stadt der Sünde
Autoren: Anne Stuart
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sie schlenderten durch welkes Heidekraut.
    Sie betrachtete seine Hand. Welch ein Unterschied zu Rohans feingliedriger und dennoch erstaunlich kraftvoller Hand. Diese Hand war plump mit kurzen dicken Fingern, die Hand eines grobschlächtigen Bauern. Rasch wandte sie den Blick. Diese derben Hände würden sie heute Nacht berühren.
    Eine Mauer der alten Klosterkirche war stehen geblieben, die leeren Fensterhöhlen erschienen ihr wie die Augen eines Toten, ein gespenstischer Anblick an diesem grauen wolkenverhangenen Tag. Sie spazierten an der Ruine vorbei und näherten sich den Klippen. Als Kinder hatten Lydia und sie in der verfallenen Abtei gerne Verstecken gespielt, in der es geheimnisvolle Gewölbe und unterirdische Gänge gab.
    Im Rückblick schauderte Elinor bei der Vorstellung, dass zwei Kinder in unmittelbarer Nähe der steil abfallenden Kalkfelsen unbeaufsichtigt gespielt hatten. Nanny Maude konnte sie schon damals wegen ihrer schmerzenden Füße nicht begleiten, und das Stubenmädchen, das auf die Kinder aufpassen sollte, war zu sehr beschäftigt, mit dem Aushilfskutscher zu kokettieren.
    Der Wind hatte noch mehr aufgefrischt, als sie die Steilküste erreichten. Elinor glaubte, eine seltsame Anspannung in ihrem Bräutigam wahrzunehmen, und warf ihm einen forschenden Blick zu. Seine Augen glänzten, und er fuhr sich mit der Zunge über die wulstigen Lippen ... ihr wurde das Herz schwer. Augenscheinlich sehnte er die bevorstehende Hochzeitsnacht herbei, vor der ihr graute.
    Der Weg war steinig und uneben, und sie glitt mit ihren leichten Schuhen auf dem nebelfeuchten Boden aus. Sein starker Arm stützte sie, und Elinor lachte verkrampft.
    „Hätte ich gewusst, dass wir eine Felswanderung machen, hätte ich feste Stiefel zu meinem Hochzeitskleid angezogen“, sagte sie.
    „Ich hätte dich warnen müssen.“
    Sie bemerkte einen befremdlichen Unterton in seiner Stimme. „Hast du diesen Ausflug geplant, Marcus?“
    Er lächelte. „Irgendwie schon.“ Sie waren am Rand der Felswand angekommen, näher am Abgrund, als ihr lieb war. Zwar hatte sie keine ausgesprochene Höhenangst, aber an der Steilküste bei Dunnet geschahen immer wieder Unfälle, bei denen unvorsichtige Spaziergänger in den Tod stürzten. Vor den bröckelnden Felsrändern hatte sie einen gesunden Respekt.
    „Komm weiter, meine Liebe“, lockte Marcus und zog sie mit sich.

    „Weiter möchte ich nicht gehen“, widersprach sie mit Bestimmtheit und versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen.
    Vergeblich – seine derbe Pranke umschloss ihr Handgelenk wie eine Eisenklammer.
    Sie hob den Blick in sein hübsches Gesicht. Schwindelerregende Benommenheit überkam sie. Sie sah keine Liebe in seinen Augen, die farblich den ihren glichen. Sie sah Heimtücke. Und Mordlust.
    Schlagartig wurde ihr alles klar. Sie erstarrte. „Ich bin wohl sehr einfältig gewesen, stimmt’s?“, sagte sie tonlos.
    „Meine Liebe?“ Er versuchte, sie näher zu ziehen.
    „Du hast vor, mich umzubringen.“ Ihre Stimme war trügerisch ruhig. „Ich kann mir den Grund dafür zwar nicht erklären, aber das war von Anfang an dein Plan.“
    „Liebe Elinor“, meinte er herablassend, und der Druck auf ihre Hand verstärkte sich.
    „Wie kommst du nur auf diese absurde Idee?“
    „Ich lese es in deinen Augen, Marcus.“
    Sein nachsichtiges Lächeln wandelte sich in ein hämisches Grinsen. „Ich hatte gehofft, du durchschaust meine Absicht erst, wenn es zu spät ist, liebe Elinor. Du warst so aufgewühlt in deinem Schmerz über den Verlust deines hochwohlgeborenen Liebhabers, dass du mir kaum Beachtung schenken konntest.
    Offen gestanden war ich mehrmals nahe daran, die Beherrschung zu verlieren. Aber nun hat sich der Aufwand ja gelohnt, und ich bin am Ziel meiner Wünsche.“
    „Bist du dir dessen so sicher?“, entgegnete sie in eisiger Ruhe. „Warum willst du mich töten, Cousin?“ Er zog sie näher an den Abgrund, und der Fels unter ihren glatten Sohlen war glitschig. Sie sollte sterben, und aus einem unerklärlichen Grund sah sie ihrem nahen Ende gelassen, höchstens mit einer Spur Neugier entgegen.
    „Ja, meine Liebe, ich habe dich belogen, fürchte ich. Und nicht nur dich. Es ist mir gelungen, beinahe alle Menschen davon zu überzeugen, dass ich dein entfernter Cousin Marcus Harriman bin. Und unsere Vermählung ist die Garantie dafür, dass sich alle weiteren Fragen nach meiner Herkunft erübrigen.“
    „Weil ich an meinem Hochzeitstag sterbe?“
    „Ja, es ist eine
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