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040 - Paris, Stadt der Sünde

Titel: 040 - Paris, Stadt der Sünde
Autoren: Anne Stuart
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wanderte sie durch die Räume, einer geschmackloser eingerichtet als der nächste. Wer immer für diese monströse Neugestaltung verantwortlich gewesen sein mochte, der Küchentrakt, die Unterkünfte der Dienstboten und die Stallungen waren unverändert geblieben. Aber sosehr sie sich umschaute, sie konnte auch unter den Stallknechten kein bekanntes Gesicht von früher finden, und niemand wollte ihr irgendwelche Auskünfte geben.
    Schließlich hörte sie auf zu fragen.
    Sie brachte für nichts Interesse auf, hatte kaum Appetit, zumal die neue Köchin ein Faible für schwere Saucen und Gebratenes zu haben schien. Wieder und wieder zog sie sich in die Bibliothek zurück, um sich die Zeit mit Lektüre zu verkürzen, aber kein Buch vermochte ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Also verbrachte sie die meiste Zeit des Tages damit, in eine Decke gehüllt vor dem Kamin zu sitzen, ins Feuer zu starren und zu schlafen. Sie träumte lebhaft und verworren. Rohan tauchte gottlob nur selten in ihren Fantasien auf, und wenn, so lächelte er ihr aufmunternd zu. Beim Erwachen war ihr Gesicht tränennass, wofür sie sich nicht wirklich die Schuld geben konnte. Sie hatte gehofft, je mehr Zeit verginge, desto weniger wäre ihr nach Weinen zumute. Aber offenbar hatte sie sich in eine erbärmliche Heulsuse verwandelt.
    Die folgenden Tage verstrichen wie hinter einem Nebelschleier. Und sie war froh, Marcus erst am Tag der Hochzeit wiederzusehen. Zu ihrer Verwunderung waren keine Hochzeitsgäste, nicht einmal Trauzeugen geladen. Lustlos ließ sie sich von ihrer ungeschickten Zofe in ein mit Rüschen und Schleifen überladenes lavendelfarbenes Kleid und anschließend von ihrem Bräutigam in die wartende Kutsche helfen.
    Auf der Fahrt musterte sie ihn kritisch. Ja, er konnte zweifellos als ein attraktiver Mann gelten. Sein rundes Gesicht war von gesunder rosiger Farbe, seine vollen Lippen wirkten vielleicht ein wenig zu wulstig. Diese Lippen würden sie nach der Trauung küssen, und sie würde ihn gewähren lassen.
    Aber möglicherweise hatte er wie Sir Christopher eine Abneigung gegen Küsse, was ihr sehr gelegen kommen würde.
    Die Trauung wurde rasch vollzogen, nur in Anwesenheit der Pastorsfrau und eines Amtsdieners. Marcus beschäftigte sich ausführlich mit der Überprüfung des Trauscheins und dem Eintrag im Heiratsregister, und als er endlich alle Dokumente sorgfältig studiert hatte, war er bereit, sie zu einem Hochzeitsmahl zu begleiten.
    Mittlerweile hatte ihre Appetitlosigkeit sich in ein unangenehmes Übelkeitsgefühl verwandelt, und der Gedanke an Essen verursachte ihr Brechreiz. Sie überlegte, ob ihr frisch angetrauter Ehemann auf der Überfahrt möglicherweise gar nicht an Seekrankheit gelitten hatte, sondern an einem verdorbenen Magen, und sie sich damit angesteckt haben könnte. Kein tröstlicher Gedanke.
    Und dann gab er ihr den Hochzeitskuss in der Kutsche. Sie durfte sich nicht beklagen.
    Es war sein gutes Recht, seine Hand an ihren Busen zu legen, in ihren Mund zu atmen und auf ihren Lippen herumzukauen wie auf einem Leckerbissen. Der Gedanke, dass sie diese täppischen Liebkosungen den Rest ihres Lebens zu ertragen hatte, war wenig hilfreich. Aber sie hielt still und war froh, dass Marcus, ähnlich wie Sir Christopher, eine schweigsame Frau zu bevorzugen schien.
    „Was hältst du von einem erbaulichen Spaziergang am Meer“, sagte Marcus, nachdem er endlich von ihr abgelassen hatte. „Es sei denn, du ziehst es vor, nach Hause zu fahren, um dich auszuruhen ...“
    „Ein Spaziergang klingt himmlisch“, versicherte sie eilig und mied den Blick auf seine nassen Lippen.
    „Die Klippen über dem Hafen bieten einen herrlichen Fernblick, findest du nicht auch?“
    „Oh ja“, sagte sie. Sie erinnerte sich gut an die schroffen Felsen der Steilküste, in der Nähe der Ruinen eines verfallenen Klosters. Wenn es nach ihr ginge, könnten sie bis Mitternacht durch die wild zerklüftete Landschaft wandern, ungeachtet des stürmischen Wetters.
    Die Abtei thronte hoch über den Klippen, ein beliebter Ausflugsort, wo Erholungssuchende sich an sonnigen Tagen zum Picknick niederließen. Als Marcus ihr aus dem Wagen half, schlug ihr eine heftige Windbö ins Gesicht, und sie zog den Umhang enger um die Schultern. Immer noch der pelzgefütterte Mantel, den Rohan ihr geschenkt hatte, den sie einst gehasst hatte, der ihr mittlerweile jedoch Trost spendete. Pflichtbewusst nahm sie den Arm ihres Gatten, er legte seine Hand über die ihre, und
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