Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0384 - Im Land des Satans

0384 - Im Land des Satans

Titel: 0384 - Im Land des Satans
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
»Er ist pünktlich, zuverlässig und empfängt einen daheim mit einem kräftigen Schluck guten Wodkas. Bloß vom Erfüllen des Plansolls hat er noch nie viel gehalten.«
    Dunja Dimitrow, seine Schreibkraft, die er meist auch als Assistentin einsetzen mußte, weil seiner Fakultät die Rubelchen für eine richtige Assistenten-Planstelle fehlten, schoß ihm einen verärgerten Blick über den Brillenrand zu. »Sie sagen es, Genosse Professor! Wenn jeder so dächte wie Sie und so arbeitete wie Sie, hätten wir noch nicht einmal die Hälfte dessen vollbracht, was wir bisher erreicht haben.«
    »Ja, die Welt ist schlecht«, brummte Saranow. »Daran hat auch die Perestroijka nichts ändern können - man will immer noch, daß wir viel Leistung für wenig Geld erbringen.«
    Dunja Dimitrow sagte vorsichtshalber nichts. Saranow hatte wieder seine kritische Phase, wie sie es insgeheim nannte. Darüber hinaus war er der Mann, der sich zwar streng an die geregelten Dienstzeiten hielt und Überstunden nur im Außendienst zuließ, aber er war auch der Mann, der die meisten Resultate erbrachte. Er war Parapsychologe. Er pendelte zwischen Moskau und Akademgorodok hin und her. Hier hatte er einen Lehrstuhl an der parapsychologischen Fakultät der Universität, dort arbeitete er an einem Telepathie-Projekt maßgeblich mit. Die Psi-Forschung der Sowjetunion fand hinter verschlossenen Türen, aber durchaus erfolgreich statt. Wegen seiner leitenden Arbeit stand Saranow unter, wenn auch recht lockerer, Überwachung des KGB. Die ständige Präsenz seiner Schatten auf nahezu allen privaten Wegen, »mit Ausnahme der Toilettengänge«, wie er es einmal sarkastisch formuliert hatte, hatte seine kritische Ader geweckt. Man ließ ihm seine markigen Sprüche durchgehen, weil man wußte, daß es keinen besseren Experten als ihn in erreichbarer Nähe gab.
    Und jetzt hatte Professor Saranow Feierabend.
    Der massige Mann griff nach seinem Mantel. Den Hut ließ er am Ständer hängen. Heute schien die Sonne. Weshalb sollte er sie dann von sich fern halten? Den Mantel über den angewinkelten Unterarm gelegt, winkte er Dunja Dimitrow grinsend zu und verließ sein Büro, in dem er Berichte seiner Mitarbeiter kontrolliert hatte.
    Er erreichte den Lift, drückte auf den Ruf knöpf und wartete. Nach geschlagenen drei Minuten kam die Kabine endlich. Erfreut stellte Saranow fest, daß sie leer war. Er ließ sich ins Erdgeschoß tragen. Als er den Lift verließ, drückte er noch diebisch grinsend auf sämtliche Etagenknöpfe. Wenn andere ihn warten ließen, konnte er auch andere warten lassen, indem er den Lift programmierte, an jeder einzelnen der vierzehn Etagen umständlich anzuhalten.
    Vergnügt pfeifend verließ er das Gebäude, fand in einem versteckten Winkel des Parkplatzes seinen Shiguli, der in westlichen Ländern unter dem Markennamen Lada verkauft wurde, und steuerte sein trautes Heim an. Das lag innerhalb des abgeschirmten Bereiches von Akademgorodok der Stadt der Wissenschaften, aber immerhin nicht in direkter Sichtweite des Gebäudekomplexes, der seinen Arbeitsplatz darstellte. Für ein paar Sekunden erlaubte Saranow sich einen neiderfüllten Gedanken an seinen französischen Kollegen und Freund, Professor Zamorra. Der hatte es noch besser, wohnte fernab jeglicher akademischer Trockenarbeit sogar in einem Schloß und hatte noch ein Landhaus in England. »Gesegneter Kapitalismus«, murmelte Saranow.
    Die Kutsche hielt an, und er stieg aus. Den Staub der unbefestigten Straße aufwirbelnd, jagte die zweispännige Kutsche weiter. Saranow hörte das Peitschenknallen und beeilte sich, der Staubwolke auszuweichen, die sich jetzt ausbreitete und langsam wieder niederschlug. Sein langer, mit den Symbolen seiner Zauberergilde bestickter Kaftan war frisch gewaschen; Saranow hielt nichts davon, diese Prozedur sofort wiederholen zu müssen.
    Ganz kurz nur regte sich etwas in ihm, das sich verwundert fragen wollte, was hier geschehen war. Aber war es nicht alles völlig normal? Hier war das kleine Dorf, das er hatte aúfsuchen wollen. Er war am Ziel.
    Gemütlich setzte er einen Fuß vor den anderen, sah jenseits des Dorfbrunnens die Schänke und freute sich schon auf einen kräftigen Kartoffelschnaps.
    ***
    Die letzten Besucher hatten Château Montagne wieder verlassen. Professor Zamorra war in dem teilzerstörten Schloß am Hang des Loire-Tals mal wieder allein - fast allein. Nicole Duval war selbstverständlich noch anwesend, seine Lebens- und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher