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038 - Der Geistervogel

038 - Der Geistervogel

Titel: 038 - Der Geistervogel
Autoren: James R. Burcette
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Mensch und stolz auf Ingrun gewesen. Er hatte die Art gemocht, wie sie sich bewegt hatte, wie sie lachte. Er hatte sie über alles geliebt.
    Er begann zu trinken und dachte viel an Ingrun. Sie war ihm wesensverwandt gewesen, während Silke ganz ihrer Mutter glich.
    Silke dachte oft an ihre tote Schwester, sie war für sie das große Vorbild gewesen, das sie hingebungsvoll bewundert hatte. Sie war das genaue Gegenteil ihrer Schwester. War Ingrun klein und zierlich gewesen, so war Silke groß und grobknochig. Ingrun hatte sich anmutig bewegt, Silke tapste wie ein Trampeltier herum, sie war verschlossen, schüchtern und linkisch.
    Es hatte lange gedauert, bis sie sich endlich dazu durchgerungen hatte, bei den Brockenhausens zu arbeiten.
    Hanna Brockenhausen war ihr immer ein wenig unheimlich gewesen. Einige Mädchen behaupteten, daß sie den bösen Blick hätte.
    Silke wanderte den Strand entlang. Sie ging ganz langsam, als würde ihr jeder Schritt Anstrengung bereiten. Es war ein strahlender Frühlingsmorgen, der Himmel war blau und das Meer ruhig. Weit draußen erkannte sie einige Schiffe. Sie blieb kurz stehen, dann schritt sie weiter.
    Der Leuchtturm tauchte auf. Irgendwie flößte ihr das hohe Gebäude Furcht ein. Sie wußte, daß ihre Furcht unbegründet war. Ingrun hatte ihr viel von ihrer Arbeit bei den Brockenhausens berichtet ihr erzählt, wie nett Hanna war und wie freundlich Pieter.
    Die Tür stand offen, und sie kam vorsichtig näher. Zögernd trat sie ein.
    Hanna Brockenhausen empfing sie lächelnd, nahm ihre Hände und sagte freundlich: „Fein, daß du gekommen bist, Silke.“
    Silke nickte, sie wußte nicht, was sie antworten sollte.
    „Komm mit“, sagte Frau Brockenhausen. „Zuerst trinken wir mal einen schönen Kaffee, dann zeige ich dir, was du zu tun hast. Es wird dir gefallen.“
    Die Küche war klein und düster. Frau Brockenhausen stellte Wasser auf und zeigte Silke, wo sie die Lebensmittel verwahrte, und wo das Küchengeschirr verstaut war.
    Sie setzte sich an den Tisch, und Frau Brockenhausen schenkte den dampfenden Kaffee ein, der ziemlich stark war, zu stark für Silke, die viel Milch nahm.
    Silke hatte erst einen Schluck getan, als der Leuchtturmwärter eintrat. Er lächelte freundlich, klopfte Silke auf die Schulter und setzte sich.
    „Ist noch eine Tasse für mich übrig?“ fragte er, und seine Frau nickte.
    Silke stand auf und brachte noch eine Tasse.
    „Es wird dir bei uns gefallen, Silke“, sagte er und schlürfte geräuschvoll den Kaffee. „Du hast nicht viel zu tun.
    Zusammenräumen und kochen. Und wenn du einen Tag nicht kommen kannst, dann brauchst du es nur zu sagen.“
    Silke nickte. Sie fühlte sich noch immer verlegen.
    Nachdem sie den Kaffee getrunken hatten, führte Brockenhausen sie durch den Leuchtturm, sie stiegen die Stufen hoch, er zeigte ihr alle Räume, die sie reinigen mußte.
    „Und was ist mit diesem Raum?“ fragte sie, als der Leuchtturmwärter an einer Tür vorbeiging.
    „Das ist mein Arbeitszimmer”, sagte er gleichgültig. „Da räume ich selbst zusammen, das hat dich nicht zu interessieren.“
    Silke gab sich mit dieser Antwort zufrieden, doch ihre Neugierde war geweckt. Sie warf der hohen Holztür einen scheuen Blick zu und folgte Brockenhausen.
     

     
    Der Tag verging im Flug. Als es zu dämmern begann, machte sich Silke auf den Heimweg. Es wurde rasch dunkel. Düstere Wolken bedeckten den Himmel, und das Meer war wild bewegt.
    Plötzlich hatte sie Angst. Der Wind zerrte an ihrem Haar, und unsichtbare Schattengebilde griffen nach ihr.
    Unwillkürlich begann sie zu laufen. Sie drehte sich um. Da war etwas. Irgend etwas lauerte in der Dunkelheit. Sie blieb entsetzt stehen. Der Sand unter ihren Füßen bewegte sich, rollte in Wellen auf sie zu, bildete eine Gestalt, die rasch größer wurde.
    Der Wind wurde stärker, die Wolkenbänke rissen auf, und der Mond kam zum Vorschein.
    „Ingrun!“ schrie sie. Die Gestalt zu ihren Füßen hatte das Gesicht ihrer toten Schwester angenommen.
    Der Mond verbarg sich wieder hinter den Wolken, und Ingruns Gesicht verschwand. Nur der Sand schimmerte matt.
    „Ich träume.“ dachte Silke. „Ich sehe Gespenster.“ Sie bückte sich und schaute den Sand an. Keine Figur war zu sehen, kein Gesicht. Nichts, nur Sand.
    Sie richtete sich auf. schüttelte den Kopf und ging weiter.
    Doch die Angst blieb.
    Sie kam an einigen Sträuchern vorbei, die sich im Wind wiegten. Und es kam ihr vor, als würden die Zweige nach ihr
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