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037 - Klinik der Verlorenen

037 - Klinik der Verlorenen

Titel: 037 - Klinik der Verlorenen
Autoren: Jose Michel
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etwas Gutes holen …«
    Ich war erstaunt, daß Eliane so beruhigend wirken konnte. Sie verstand wohl ihr Geschäft …
    Nach einer Weile jedoch kamen zwei brutal aussehende Frauen festen Schrittes zur Tür herein, gingen geradewegs auf Olga zu, zogen ihr in Sekundenbruchteilen eine Zwangsjacke über und brachten sie hinaus.
    Olga begann zu weinen. Ich drehte mich weg, ich konnte nicht Zusehen. Ich verstand nicht, weshalb das notwendig war. Olga hatte sich doch wieder beruhigt.
    Nach einer halben Stunde hatte Elisabeth ihr Formular ausgefüllt, sich entkleidet und zu Bett gelegt.
    Niemand von uns allen sprach ein Wort. Ich hatte das Gefühl, in dieser entsetzlichen Umgebung langsam, aber sicher, verrückt zu werden.
    Später kam Ariane. Ich atmete auf. Sie zu sehen, war eine große Erleichterung.
    »Was ist denn geschehen?« fragte sie mich.
    Ich erzählte ihr leise von Olgas Ausbruch und konnte meine Entrüstung nicht Verbergen.
    »Lise«, seufzte Ariane, »Olga ist rauschgiftsüchtig, und der Herr Doktor behandelt sie, wie es richtig ist. Sie kann gefährlich werden, wenn sie einen Anfall bekommt.« Sie sah mir nicht in die Augen bei diesen Worten. Dann wechselte sie das Thema. »Was die Stellung betrifft, von der ich Ihnen erzählt habe, so geht das in Ordnung. Wir könnten dauernd zusammen sein, Sie sollen einen Teil meiner Arbeit hier im Haus übernehmen. Wäre Ihnen das recht?«
    »Danke, Ariane. Vielen Dank. Ich wäre überglücklich …«
    »Sie fragen gar nicht, wieviel Sie verdienen werden?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte es nicht glauben. Hier zu arbeiten, in der Nähe Erics, Arianes – bei den einzigen Freunden, die ich hatte.
     

     
    Die Atmosphäre im Saal wurde zusehends geheimnisvoller. Dominique Martin und Olga Valinof kehrten nicht mehr zu uns zurück. Wir bekamen jede Menge Schlafmittel, und Rosy, die vorher so voll Energie gewesen war, lag nur mehr teilnahmslos in ihren Kissen. Sie war nicht mehr ansprechbar und bewegte sich nur, wenn sie nach dem Glas Wasser griff, das immer gefüllt auf ihrem Nachttisch stand.
    Elisabeth Rivenas starrte Löcher in die Luft.
    Eric hatte mir die erste Injektion gegeben, am nächsten Tag gab mir Ariane die zweite. Ich war enttäuscht, da er versprochen hatte, mir die Spritzen selbst zu geben. Aber ich wußte, daß er eine Menge Arbeit hatte, denn er operierte tagsüber in der großen Klinik.
    Ich hatte mehr als genug Zeit, um nachzudenken. Zu viele Fragen gab es, zu viele seltsame Dinge, die sich häuften.
    Wo waren Dominique und Olga hingebracht worden?
    Weshalb waren wir, bis auf Dominique, lauter junge Frauen?
    Weshalb hatte Eric mir dieses Theater mit den Röntgenaufnahmen vorgespielt?
    Warum überfütterte man Rosy hier mit Süßigkeiten, nach denen sie andauernd verlangt hatte, bevor sie in diesen halbschlafähnlichen Zustand versunken war, wenn sie einen Herzfehler hatte? Damit machte man die Krankheit gewiß nicht besser.
    Warum waren wir so sehr ans Bett gefesselt? Keine von uns war wirklich bettlägerig.
    Wir bekamen bis zu zehn Schlafpillen täglich. Welch neuartige Behandlungsmethode war das?
    Und vor allem ein Gedanke beschäftigte mich: Wir alle waren allein stehende Mädchen, hatten keine Verwandten. Sollten wir verschwinden, für immer, wer würde uns vermissen?
    Ich wünschte mir, drei Wochen älter zu sein. Denn auch wenn meine Gedanken dauernd um Eric Flamants kreisten, so empfand ich die Situation, in der ich war, als bedrückend und wollte nach Hause in meine gewohnte Umgebung.
    Als Elisabeth einmal aus ihrer Lethargie aufwachte und mit mir plauderte, stellte sich heraus, daß es Maria Ferat gewesen war, die ihr die Klinik Dr. Flamants’ empfohlen hatte … Ich nahm mir vor, Rosy in einem ihrer wachen Augenblicke zu fragen, von wem sie den Hinweis auf die kostenlose Behandlung erhalten hatte.
    Vielleicht hatte das seinen harmlosen Grund darin, daß Maria in ihrer grenzenlosen Bewunderung für Eric ihm alle Mädchen schickte, deren sie habhaft werden konnte. Aber möglicherweise gab es auch einen anderen, weniger harmlosen Grund dafür, den wir alle nicht ahnten. Denn hatte Eric nicht Patientinnen genug? Ein Beweis dafür war doch, daß er kaum mehr zu uns kam.
    Schwester Eliane brachte eine neue Patientin, Jeanne Voisin, ein blondes junges Mädchen. Als sie die Runde machte, um sich vorzustellen und uns die Hand zu geben, dachte ich, daß Jeanne Voisin ganz sicher völlig allein auf der Welt war.
    »Ziehen Sie sich um, Mademoiselle.
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