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037 - Klinik der Verlorenen

037 - Klinik der Verlorenen

Titel: 037 - Klinik der Verlorenen
Autoren: Jose Michel
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Ich bringe Ihre Tasche und Ihre Kleider hinaus. Geben Sie mir alles mit, was Sie hier nicht brauchen, ich sperre es draußen in den Kasten.«
    Wortlos befolgte Jeanne Schwester Elianes Worte. Bevor sie sich niederlegte, zündete sie eine Zigarette an. Ich wartete darauf, daß Eliane protestierte, aber nichts geschah. Aha, dachte ich, rauchen darf man, aufstehen nicht.
    »Wann kommt der Herr Doktor?« fragte Jeanne, als Eliane gegangen war.
    »Nicht vor morgen früh«, sagte Elisabeth. »Was fehlt Ihnen denn?«
    Jeanne hob die Schultern.
    »Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Man hat mir nur gesagt, daß die Gefahr besteht, daß ich später gelähmt werde. Ich hatte einen bösen Sturz im vergangenen Sommer, aber ich habe keine Beschwerden mehr und fühle mich sehr wohl. Es war wohl nur eine Gehirnerschütterung.«
    »Und da kommen Sie in die Klinik?« rief Elisabeth.
    Jeanne zögerte eine Sekunde lang. »Eine Freundin hat mir geraten, mich hier behandeln zu lassen. Sie fand, man sollte solche Dinge nicht auf die leichte Schulter nehmen. Auch wenn es im ersten Augenblick so aussieht, als sei man völlig wiederhergestellt, so können sich später noch unangenehme Folgen zeigen.«
    Sieh mal an, dachte ich. Eine Freundin.
    Elisabeth sah mich an.
    »Der Schutzengel der armen Mädchen hat sich wieder ein Opfer gesucht«, sagte sie.
    Ich nickte.
    Am selben Abend kam noch eine neue Patientin, Henriette Astier, siebzehn Jahre alt, Fotomodell. Sie hatte eine Entziehungskur hinter sich und war ans Meer gekommen, um sich zu erholen. Hier hatte sie von Dr. Flamants’ Gratisklinik gehört und war hergekommen. Sie mußte ein schönes Mädchen gewesen sein. Augenblicklich war sie ein Skelett und hatte tiefe Ringe um die grauen, strahlenden Augen. Aber das würde sich bei der üppigen Kost, die wir erhielten, bald ändern, und wenn sich nicht vorher auf Nimmerwiedersehen in einem der »Hinterzimmer« verschwand, konnte sie in ein paar Wochen wieder zurück an ihre Arbeit gehen.
    Um zwanzig Uhr kam Schwester Eliane mit den Schlafpillen. Sie sah müde aus, und als sie bei meinem Bett stand, nahm sie zwei der Pillen, schluckte sie und sagte: »Wenn ich heute nacht wieder nicht schlafe, muß ich meinen Posten hier auf geben.«
    Sie reichte mir meine Pillen, und ich hob die Hand zum Mund.
    Rosy schlief immer noch und bekam daher ihre Ration heute abend nicht.
    Elisabeth steckte die Pillen kommentarlos in den Mund und schluckte sie. Jeanne Voisin tat das gleiche wie ich. Sie hob die Hand zum Mund, und als Eliane sich wegdrehte, schob sie die Pillen unter ihr Polster. Henriette legte sie einfach auf ihren Nachttisch. Wenn sie glaubte, daß das so einfach war, dann täuschte sie sich. Aber heute Abend war Eliane müde und bemerkte es nicht.
    Um acht Uhr zwanzig bewegte sich nichts mehr im Saal.
    Ich konnte nicht einschlafen, zu viele Dinge gingen mir durch den Kopf. Ich drehte mich von einer Seite auf die andere, aber ohne Erfolg. In meinen Adern kribbelte und juckte es, als ob mich tausend Nadeln zugleich stachen. Eric würde mich mit den vielen Medikamenten noch vergiften.
    Nach einer Weile setzte ich mich auf. Alle schliefen. Selbst Schwester Eliane schlief wohl fest in ihrem angrenzenden Zimmer. Wenn eine von uns etwas gebraucht hätte, wäre sie wohl nie gekommen.
    Da die Gelegenheit so günstig war, beschloß ich, mich ein wenig in dem Gebäude umzusehen. Um ganz sicherzugehen, drückte ich auf den Klingelknopf.
    Nichts rührte sich. Ich drückte noch einmal und wartete fast zehn Minuten. Nichts.
    Ich ließ die Beine aus dem Bett gleiten, schlüpfte in die Pantoffel, zog sie aber wieder aus, da ich fürchtete, Lärm zu machen. Langsam ging ich zur Tür. Im Vorbeigehen warf ich einen Blick auf die Glastür, hinter der Eliane schlief. Kein Laut drang hervor.
    Auf dem Korridor brannte ein schwaches, grünliches Licht. Plötzlich hatte ich Angst und war nahe daran, umzukehren. Aber alles blieb still, und das ermutigte mich.
    Ich öffnete die erste Tür. Sie führte in ein elegantes Büro. Die zweite Tür führte zu einem geschmackvoll eingerichteten Empfangszimmer und die dritte in ein kleines, sachlich eingerichtetes Schreibzimmer, das wohl Ariane gehörte. Eine Schreibmaschine stand auf einem Tischchen, und Papiere lagen herum. Gegenüber erkannte ich die Tür ins Röntgenzimmer wieder. Die Tür daneben war verschlossen.
    In diesem Stockwerk gab es wirklich nichts Außergewöhnliches.
    Ich ging zum Aufzug. Ich scheute mich, ihn zu
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