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037 - Die seltsame Gräfin

037 - Die seltsame Gräfin

Titel: 037 - Die seltsame Gräfin
Autoren: Edgar Wallace
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von dem Direktor zurückführen.
    »Setzen Sie sich - ich werde Ihnen ein leichtes Beruhigungsmittel geben«, sagte er. Er schloß die Tür so energisch, daß der Schall in den leeren Gängen widerhallte. Dann öffnete er eine Hausapotheke und mischte schnell einen Trank. »Nehmen Sie das.«
    Lois hob das Glas mit zitternden Fingern an ihre Lippen. Er sah, wie es gegen ihre Zähne schlug.
    »Ich glaube, ich war eben von Sinnen«, sagte sie.
    »Sie sind ein wenig hysterisch«, meinte der Direktor. »Es war mein Fehler, Ihnen diese Leute zu zeigen. Ich ließ alle Regeln und Vorschriften außer acht, als ich mit Ihnen davon sprach.«
    »Es tut mir furchtbar leid«, sagte sie, als sie das Glas auf den Tisch stellte. »Ich - ich - es war so schrecklich!«
    »Ja - das war es, und ich war auch ein Dummkopf, daß ich überhaupt davon gesprochen habe.«
    »Würden Sie mir bitte noch eins sagen? Was - was wurde aus dem Kind?«
    Es war ihm offensichtlich sehr unangenehm, noch ein Wort über die Sache zu verlieren.
    »Ich glaube, das Mädchen starb. Es war eine ausgezeichnete Frau, die sie zu sich nahm, aber sie hat sie nicht aufziehen können. Das ist alles, was ich von der Geschichte weiß. Tatsächlich wurde in den Zeitungen berichtet -der Fall erregte nämlich großes Interesse -, daß das Kind im Gefängnis gestorben sei. Aber es war in Wirklichkeit ein sehr gesundes, kräftiges Mädchen, als es von hier fortkam. Und nun, mein liebes Fräulein, muß ich Sie entlassen.«
    Er klingelte nach der Wärterin, die Lois wieder in den Raum des Pförtners brachte. Gleich darauf stand das Mädchen draußen vor dem Tor.
    Es war unverzeihlich von ihr, sich so verrückt zu benehmen. So viele Fragen waren zu beantworten, so viele Möglichkeiten hätten sich ihr geboten, diese herrliche Frau zu sehen, die ihre - Mutter war. Ihr Herz schlug heftig bei diesem Gedanken. Es war nicht möglich! Die untersetzte, einfache, gutmütige Frau, die Mutterstelle an ihr vertreten hatte, lebte nicht mehr, sie konnte sie nicht mehr fragen, um Gewißheit zu erlangen. Aber nein! Es mußte ein Zufall sein. Sicherlich gab es auf der Welt noch ein anderes Kind, das auf den Namen Lois Margeritta getauft worden war - ebenso war es möglich, daß es in frühester Kindheit eine ähnliche Brandwunde davongetragen hatte.
    Doch dann schüttelte sie den Kopf. Es war jenseits der Grenzen des Möglichen und Wahrscheinlichen, daß es zwei Lois Margerittas mit sternförmigen Narben am linken Arm gab.
    Sie stieg bedrückt in ihren Wagen. Ihre Knie zitterten, und ihre unsicheren Hände versuchten die verschiedenen Hebel richtig zu bedienen. Der Wagen schwankte, und als sie langsam auf der kleinen Straße hinausfuhr, die von dem Gefängnis auf die Hauptstraße führte, fühlte sie, daß sie eine ungewöhnliche Schwäche befiel. Sie erschrak. Es gelang ihr noch, den Wagen einige Fuß vor dem Straßengraben zum Stehen zu bringen. In diesem Augenblick hörte sie einen schnellen Schritt hinter sich, und als sie sich umwandte, sah sie Mr. Dorn. Schwere Sorge überschattete sein ernstes Gesicht.
    »Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte er rasch.
    »Nein - es ist nichts -«
    »Sie wären beinahe in die Laterne hineingefahren - fühlen Sie sich nicht wohl?«
    »Nein - nicht besonders«, antwortete sie schwach.
    Im nächsten Augenblick saß er an ihrer Seite im Wagen. Sie machte ihm den Platz am Steuer frei.
    »Ich fahre nur erst zum Lion-Hotel, um jemand herzuschicken, der meinen Wagen holt.«
    Es kam ihr dunkel zum Bewußtsein, daß das große, schwarze Auto mit den beschädigten Schutzblechen bei der Gefängnismauer hielt.
    »Es geht mir gleich wieder besser -«, versuchte sie zu widersprechen.
    »Trotzdem werde ich Sie zur Stadt zurückbringen«, sagte er, und sie erhob keinen Einwand mehr.
    Er machte vor dem Lion-Hotel halt und sprach mit einem kleinen Mann, der ihn erwartet zu haben schien.
    Dann fuhr er auf der Straße nach London zurück. Sie war ihm dankbar, daß er keinen Versuch machte, die günstige Gelegenheit auszunützen und mit ihr zu sprechen. Beide schwiegen, nur von Zeit zu Zeit sah er zu ihr hinüber und entdeckte auch die zerknitterten Papiere, die sie fest in ihrer Hand hielt. Es waren die Urkunden, die Mr. Shaddles' Klient brauchte, die aber jetzt in einem Zustand waren, wie sonst gerichtliche Dokumente nicht zu sein pflegen.
    »Bedford Row - stimmt das?« fragte er, als sie durch die belebten Straßen von Holborn fuhren. Sie hatte sich schon wieder so weit
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