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037 - Die seltsame Gräfin

037 - Die seltsame Gräfin

Titel: 037 - Die seltsame Gräfin
Autoren: Edgar Wallace
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Entdeckung verlassen hatte, in ihrer Abwesenheit durchsucht. Man fand dort in einem verschlossenen Kasten eine Flasche Zyankali und viele Juwelen. Die Verteidigung machte geltend, daß die Verstorbene schon mehrmals versucht hatte, Selbstmord zu verüben, und daß man nicht beweisen konnte, daß die Pinder das Gift gekauft hatte, das in einer Flasche ohne Etikett gefunden wurde. Die Pinder selbst lehnte es ab, über sich und ihren Mann irgendwelche Aussagen zu machen. Ein Trauschein wurde nicht gefunden. Der Richter Darson leitete als Vorsitzender die Verhandlung ihres Falles. Sie wurde verurteilt. Man nimmt an, daß die Pinder, die dringend Geld brauchte, einer plötzlichen Versuchung unterlag, Zyankali in den Tee der Frau goß und darauf deren Schreibtisch plünderte. Der Fall zeigt keine außergewöhnlichen Züge mit Ausnahme der Weigerung der Gefangenen, sich zu verteidigen.
    Lois las den Bericht zweimal durch.
    »Ich kann es trotzdem nicht glauben - es ist unfaßbar. Sie wurde zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt - aber sicher wird sie doch begnadigt? Gibt es denn keinen Straferlaß wegen guter Führung?«
    »Unglücklicherweise machte sie zwei Versuche auszubrechen, und so wurde ihr die gute Führung von früher gestrichen. Es ist sehr schade, denn sie ist eine wohlhabende Frau. Ihr Onkel, der erst fünf Jahre nach ihrer Verurteilung erfuhr, daß sie im Gefängnis war, hinterließ ihr ein großes Vermögen. Sie hat uns niemals gesagt, wer sie war. Er besuchte sie ein paar Wochen vor seinem Tode hier, und wir wurden davon auch nicht klüger. Wir konnten nur feststellen, daß er einer ihrer Verwandten mütterlicherseits war.«
    Lois sah wieder auf das Buch.
    »Diese wundervolle Frau soll eine Mörderin sein?«
    Er nickte.
    »Ja - es ist merkwürdig, aber selbst Leute, die vollkommen unschuldig aussehen, begehen böse Verbrechen. Ich bin seit zwanzig Jahren hier auf meinem Posten - ich habe alle Illusionen verloren.«
    »Aber wenn man doch davon überzeugt war, daß sie eine Mörderin sei, warum hat man sie denn nicht -«
    Sie konnte es nicht über sich bringen, »aufgehängt« zu sagen.
    Der Direktor sah sie an.
    »Nun ja - es war da ein Grund, ein sehr wichtiger Grund sogar -«
    Lois war einen Augenblick erstaunt, aber plötzlich wurde es ihr klar. Sie verstand.
    »Ja, das Baby wurde hier in diesem Gefängnis geboren. Es war das entzückendste kleine Mädchen, das ich jemals gesehen habe - ein wirklich schönes Kind. Es tat mir furchtbar leid, als es aus dem Gefängnis gebracht werden mußte, das arme kleine Ding!«
    »Es wußte von nichts, vielleicht weiß es heute noch nicht -« Lois' Augen füllten sich mit Tränen.
    »Nein, ich glaube nicht, daß die Kleine es erfahren hat«, fuhr der Direktor fort. »Sie wurde von einer Nachbarin der Mrs. Pinder adoptiert, die stets an ihre Unschuld glaubte. Wenn ich aber vorher sagte, das arme, kleine Mädchen, dann dachte ich an die dumme Kinderpflegerin, durch deren Nachlässigkeit sich das Kind den Arm an einer Flasche mit kochendem Wasser verbrannte. Es hat eine recht ansehnliche Brandnarbe gegeben, ich erinnere mich deutlich daran. Es blieb eine sternförmige Narbe nahe des Ellenbogens zurück - der Knopf der Heißwasserflasche war so geformt.«
    Lois Reddle hielt sich krampfhaft an der Tischplatte fest. Ihr Gesicht war schneeweiß geworden. Der Direktor stellte das Buch in das Fach zurück und wandte ihr den Rücken zu. Mit Aufbietung aller Energie riß sie sich zusammen.
    »Wissen Sie - können Sie sich an den Namen des Kindes erinnern?« fragte sie leise.
    »Ja, denn es war ein ganz ungewöhnlicher Name, ich werde ihn nicht vergessen: Lois Margeritta!«

4
    Lois Margeritta! Ihr eigener Name! Und die sternförmige Narbe auf ihrem Arm!
    Ihre Gedanken wirbelten durcheinander, und der Raum schien sich um sie zu drehen. Es bedurfte einer ungeheuren Anstrengung, daß sie nicht laut aufschrie.
    Aber es stimmte. Diese würdevolle, aufrechte Frau, die so ruhig in dem schrecklichen Kreis einherging, war - ihre Mutter!
    Sie folgte einer blinden Eingebung, eilte zur Tür, riß sie auf und war schon halbwegs den Gang entlanggelaufen, als der entsetzte Direktor sie einholte.
    »Was ist denn mit Ihnen los?« fragte er sie halb erstaunt und halb ärgerlich. »Haben Sie den Verstand verloren?«
    »Lassen Sie mich gehen! Lassen Sie mich gehen!« stieß sie zusammenhanglos hervor. »Ich muß zu ihr!«
    Dann besann sie sich plötzlich, wo sie war, und ließ sich ohne Widerspruch
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