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037 - Die seltsame Gräfin

037 - Die seltsame Gräfin

Titel: 037 - Die seltsame Gräfin
Autoren: Edgar Wallace
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Perlenketten und Juwelen, die an Ohren und Fingern glitzerten. Es fesselte sie nur das Gesicht, das ihr groß, herrisch, aber doch irgendwie drohend erschien. Die schwarzen Augenbrauen berührten sich über der wundervoll geformten Nase, und ihre mandelförmigen Augen waren von so tiefem Braun, daß sie schwarz erschienen. Die Gräfin betrachtete das Mädchen ruhig mit einem harten, glänzenden Blick. Ihr Mund war groß, die Lippen auffallend dünn, das Kinn voll und kräftig gebildet. Lois versuchte, sich über ihr Alter klar zu werden. Ihr Haar war von tiefschwarzer Farbe und zeigte nicht das leiseste Grau.
    »Sie sind Miss Reddle?« fragte die Gräfin. Ihre Stimme war so tief wie die eines Mannes, und sie sprach langsam und wohlartikuliert.
    Der Klang dieser Stimme wirkte verwirrend auf Lois.
    »Ja, Mylady, ich bin Lois Reddle.«
    Einen Augenblick schwieg Lady Moron, dann wandte sie sich zu ihrem Begleiter. »Dies ist Miss Lois Reddle, Selwyn.«
    Der schlanke, ein wenig vornübergebeugte junge Mann hatte im Gegensatz zu seiner Mutter weiche Züge und ein kleines Kinn.
    »Darf ich Ihnen meinen Sohn, den Grafen von Moron, vorstellen?« sagte die große Dame. Lois verneigte sich leicht.
    »Freue mich, Sie kennenzulernen«, murmelte der Graf mechanisch. »Wir haben schönes Wetter, nicht wahr?«
    Damit schien sein Vorrat an Unterhaltungsstoff verbraucht zu sein, denn er schwieg während der übrigen Unterhaltung.
    Lady Moron wandte jetzt ihre durchdringenden Blicke langsam von Lois ab und schaute den Anwalt an.
    »Ich bin vollkommen zufrieden, Shaddles.«
    »Miss Reddle ist ein sehr brauchbares, nettes junges Mädchen«, sagte er. »Und absolut vertrauenswürdig.« Dabei sah er verzweifelt auf die zerknüllten Urkunden, die auf seinem Schreibtisch lagen.
    »Wirklich, man kann ihr in allen Dingen trauen. Ich zweifle nicht, daß Miss Reddle in der Besorgnis, möglichst bald zurückzukommen und Mylady zu sprechen, meinen Wagen leicht beschädigte - das ist eine Kleinigkeit, die zwischen Mylady und mir zu regeln wäre.«
    Er hatte nämlich schon aus dem Fenster gesehen und mit der Routine eines Taxators die Höhe des Schadens festgestellt.
    »Sie wußte doch gar nicht, daß ich hier war, Shaddles. Außerdem bin ich nicht für den Schaden verantwortlich, der Ihrem Wagen zugestoßen ist.«
    Er rutschte unruhig auf seinem Sitz hin und her.
    »Ich bezweifle überhaupt«, fuhr die Gräfin fort, »daß dieser Wagen noch irgendeinen Wert hat - in meinen Augen jedenfalls nicht. Komm, Selwyn.«
    Lois hatte einen Augenblick lang den Eindruck, als ob sich der junge Mann an dem Kleid seiner Mutter festhielte. Sie fühlte den unbändigen Wunsch zu lachen, als die Gräfin aus dem Zimmer rauschte.
    Shaddles eilte durch das äußere Büro, öffnete die Tür vor ihnen, ging die Treppe mit ihnen hinab und verabschiedete sich unten am Wagen von der Gräfin. Dann kam er zurück.
    »Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, meinen Wagen so zu ruinieren?« fragte er ärgerlich. »Und dann sehen Sie einmal hierher auf diese Urkunden - kann ich die denn überhaupt noch am Gericht einreichen?«
    Bevor sie antworten konnte, sprach er weiter.
    »Wie hoch sich auch die Reparaturkosten des Autos belaufen sollten - ich werde Ihnen die Rechnung schicken, denn ich bin sicher, daß Sie auch nach dem Gesetz für den Schaden haften. Sie werden ein anständiges Gehalt bei der Gräfin beziehen, und Sie verdanken Ihre neue Stellung doch nur der Tatsache, daß ich ihr Anwalt bin.«
    »Die Reparatur will ich gerne bezahlen«, sagte Lois und war froh, als sie das Büro verlassen konnte.
    Zu Lizzys Verdruß war sie nicht sehr mitteilsam, und die ganze Last der Unterhaltung auf dem Heimweg fiel ihr zu. Lois war glücklich, als Lizzy sie verließ, um mit einer Freundin ins Theater zu gehen. Sie wollte allein sein, um über dieses furchtbare Problem, das sie selbst betraf, nachzudenken. Immer neue Fragen drängten sich ihr auf, und plötzlich erinnerte sie sich an den erschrockenen und bestürzten Blick Mike Dorns, als sie ihm mitteilte, daß sie ins Gefängnis gehen wollte. Kannte er das Geheimnis? Warum beobachtete er sie? Bis jetzt hatte sie geglaubt, daß er nur den Wunsch habe, ihre Bekanntschaft zu machen, weil sie sein Interesse erregte. Sie war froh, daß sie jetzt eine neue Stellung antreten konnte. Im Dienste der Lady Moron würde sie mehr freie Zeit haben und auch mit Leuten zusammenkommen, die ihr bei ihren Nachforschungen behilflich sein
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