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0367 - Der Hexenbaum

0367 - Der Hexenbaum

Titel: 0367 - Der Hexenbaum
Autoren: Werner Kurt Giesa
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ihren Körper mit einer seltsam durchdringend riechenden Salbe einzureiben. »Zieh dich aus«, verlangte sie und fügte etwas spöttisch hinzu: »Auch wenn es hier keine Kamera gibt…«
    Sonia zögerte.
    »Du wirst dich an die Nacktheit gewöhnen«, sagte die Hexe. »Wenn du die stärkste aller Kräfte aus der Tiefe deines Daseins schöpfen willst, sollte dich nichts Störendes umgeben, das die Kräfte aufsaugen könnte.«
    Die drei anderen Frauen kehrten in den kleinen Vorraum zurück. Eine nickte Sybil zu. »Es ist alles vorbereitet. Wir können beginnen.«
    Auch sie schlüpften aus ihren Kleidern, legten dann aber dunkle härene Kutten an. Stirnrunzelnd sah Sonia zu. »Sagtest du nicht…«
    Sybil unterbrach sie.
    »Ihre Kräfte werden nicht in dem Maße benötigt wie meine. Ich leite die Beschwörung.«
    »Und ich? Werde ich eine Kutte tragen oder…«
    »Nein. Satan will dich sehen. Du wirst dich vor ihm erniedrigen. Die ehernen Gesetze verlangen es. Laß die Finger davon«, warnte sie, als Sonia nach dem Tiegel mit der Salbe greifen wollte. »Das wirst du nicht brauchen. Bist du nun bereit?«
    »Ja. Wer sagt mir, was ich zu tun habe?«
    »Ich - solange, bis der Satan kommt. Bewege dich…«
    Sie betraten den Raum hinter der dunklen Tür. Auch hier brannten, wie im Gang und im Vorraum, Kerzen. Aber das düsterrote Kunstlicht und die wallenden Nebel, für die der Fotograf in seinem Studio gesorgt hatte, fehlten hier. Die nackten Felswände schimmerten feucht, und es roch muffig. Die Frischluftversorgung schien hier nicht die allerbeste zu sein. Vermutlich kam nur durch die Tür Luft herein. Denn die Kerzen brannten völlig ruhig; es war windstill im Raum.
    Ein mit schwarzem Samt bedeckter runder Tisch befand sich in der Mitte des Raumes, gerade einen halben Meter hoch. Der Samt war mit magischen Zeichen bestickt. Und auf dem großen Rund lag Su Ling ausgestreckt. Man hatte sie entkleidet und an Händen und Füßen gefesselt. Ihr Körper war mit roter Farbe bemalt worden.
    »Das Opfer ist bereit«, sagte Sybil, nachdem sie die Korrektheit der Zeichen überprüft hatte. Su Ling befand sich immer noch unter Hypnose und schien gar nicht wahrzunehmen, daß sie hier sterben sollte.
    Sybil und die drei anderen Hexen postierten sich rund um den Tisch, nach den vier Himmelsrichtungen orientiert. Sonia erhielt die Anweisung, bis zum Ende des Raumes zu gehen und in einen weißen Kreidekreis zu treten. Dort sollte sie warten und sich nicht rühren, was immer auch geschah. »Erst, wenn du aufgefordert wirst, den Kreis zu verlassen, wirst du vortreten und tun, was man dir sagt«, ordnete Sybil an. »Verläßt du ihn vorher, stirbst du. Denn nichts schützt dich dann vor der Aura unseres Herrn.«
    Sonia nahm im Kreis Aufstellung. Sie fröstelte etwas; es war kalt in der feuchten Felsenhöhle. Ganz kurz durchfuhr es sie noch, daß sie vielleicht besser versuchen sollte, jetzt noch auszusteigen. In ein paar Minuten schon würde es kein Zurück mehr geben. Aber dann dachte sie an die Macht, die sie mit Hexenkraft und Teufelszauber würde ausüben können. Sie wollte so werden wie Sybil.
    Und um das zu erreichen, gab es nur diesen einen Weg.
    Sybil hob die Arme. Sie intonierte einen seltsam düsteren Gesang, in den die anderen einstimmten. Worte einer uralten, unverständlichen Sprache klangen auf. Beschwörende Formeln, Forderungen, Höllenzwang. Sie riefen den Fürsten der Finsternis.
    Immer stärker wurde die Kraft der Schwingungen, die von der Beschwörung ausging und sich ihren rufenden, fordernden Weg in die sieben Kreise der Hölle bahnte…
    Sonia Parker erschauerte. Eine schwarze Wolke entstand über dem Opfertisch…
    ***
    Leonardo deMontagne, Fürst der Finsternis, vernahm den Ruf.
    Er, der zur Zeit des ersten Kreuzzuges Château Montagne hatte erbauen lassen, der mit dabei gewesen war, als Gottfried von Bouillon Jerusalem eroberte, der Schwarze Magie betrieben und seine Untertanen geknechtet hatte, der zur Hölle gefahren war, um jahrhundertelang im Höllenfeuer zu dörren, den die Hölle wieder ausgespien und der zum Dämon geworden war, um sich auf den Thron zu setzen, den einst Asmodis inne hatte, verabscheute jenen Zwang, der durch Beschwörungen auf ihn ausgeübt werden konnte. Er wollte frei von diesen Zwängen sein, doch er war als Dämon den Gesetzen der Hölle unterworfen.
    Sie riefen ihn, die Hexen von San Francisco.
    Er widersetze sich dem Zwang. Er konnte es, denn der Ruf des Blutes fehlte. Nur dann mußte
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