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036 - Die Hand des Würgers

036 - Die Hand des Würgers

Titel: 036 - Die Hand des Würgers
Autoren: Maurice Limat
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gewesen, dann hatte man ihn ins Dorf zurückkehren sehen. Monsieur Velier war sehr gut zu ihm gewesen, auch Monsieur Feras. Und die Damen Vaison natürlich, die sowieso recht viel Gutes taten.
    Es war schon ein großer Nachteil für den armen, unglücklichen Pascal, daß er jetzt nur noch die linke Hand hatte. Im Sägewerk konnte er ja sowieso nicht mehr arbeiten. Ein paar Leute beschäftigten ihn mit leichten Gartenarbeiten, damit er wenigstens etwas verdiente und, wenn auch dürftig, davon leben konnte. Natürlich hatte man Mitleid mit ihm, schon deshalb, weil man ihn ja als Kind schon seiner Tollpatschigkeit wegen bedauert hatte. Seit dem Unfall war er viel erregbarer geworden.«
    Die kleinen Kinder sahen in ihm mehr oder weniger einen Knecht Ruprecht oder schwarzen Mann, mit denen man ihnen drohte, wenn sie nicht artig waren. Die größeren riefen ihm Spottverse nach und warfen sogar Steine. Die Mädchen dagegen machten meistens einen großen Bogen um ihn, oder wenn sie ihm begegneten, bekamen sie Angst.
    Renaud war das alles bekannt, und er wußte auch, daß Loulou sehr verängstigt war, aber trotzdem begann er wieder, auf sie einzureden. Ein Donner krachte unmittelbar über ihnen, so daß man hätte glauben können, die Welt gehe unter. Dem Donner folgte eine ganze Reihe von Zickzackblitzen; ihr kaltes Licht fiel durch die Ritzen und Spalten der Scheunenwände und erzeugten in dem düsteren, stickigen Bau eine spukhafte Beleuchtung.
    Zweifellos dachte Loulou noch immer an den Mann ohne Hand, und immer wieder versuchte er, sie davon abzulenken. Er meinte, im Aufruhr der Elemente müsse die verängstigte Loulou schließlich doch den Retter in ihm erblicken.
    Die Schwüle und die durch den Wolkenbruch noch mehr zunehmende Luftfeuchtigkeit, wahrscheinlich auch das Gewitter, verstärkten den Heugeruch noch, und es kann kein Zweifel daran bestehen, daß Heuduft sinnlich macht. Und Loulou schien auch tatsächlich ihre Ängste zu vergessen, und bald rollten sich die beiden wieder im Heu. Die übrige Welt war unendlich weit weg, und schließlich ruhten sie erschöpft nebeneinander.
    Da erschütterte ein gewaltiger Donner die alte, große Scheune, und der Sturm, der durch die Mauerritzen pfiff, riß die Tür auf. Sie knallte an die Scheunenwand zurück, und der Regen klatschte herein. Das Gewitter war nun auf seinem Höhepunkt angelangt, und ein Blitz folgte dem anderen. Die offene Scheunentür sah aus wie ein Höllenschlund, der von blaugrünen Blitzen durchzuckt war.
    Und da sahen sie, diesmal beide gleichzeitig, die Gestalt.
    „Renaud! Da ist er!“ schrie Loulou.
    „Du lieber Gott!“ ächzte der Bursche.
    Tapfer sprang er sofort auf, obwohl er seinen eigenen Augen nicht recht trauen wollte. „Das muß ich jetzt wissen, wer der Kerl ist, der da herumspioniert.“
    Er nahm sein Taschenmesser aus der Tasche und ließ es aufschnappen, als er zur Tür ging.
    „Renaud, bitte. Laß mich nicht allein, bitte!“ bettelte Loulou.
    „Bleib schön da, Loulou. Hier kann dir nichts passieren. Ich muß nachschauen, wer das ist und was er will. Laß mich los, Liebling. Ich schaue ja nur nach.“
    Er tröstete und streichelte sie noch ein bißchen, als ein neuer, sehr heftiger Windstoß die Scheunentür mit derselben Wucht packte und zuschlug, wie der andere sie vorher aufgerissen hatte. Es war wieder ganz dunkel in der Scheune, und Renaud drückte Loulou sanft ins Heu zurück.
    „Bleib schön ruhig hier. Ich gehe jetzt hinaus. Er wird mir Rede und Antwort stehen müssen.“ Mit dem Messer in der Hand ging er zur Scheunentür, öffnete sie und schaute in den Aufruhr der Elemente hinaus.
    Wenn nicht gerade Blitze zuckten, herrschte schwärzeste Nacht draußen, obwohl eigentlich erst Spätnachmittag war. Dicke schwarze Wolken wurden vom pfeifenden Sturm vor sich hergetrieben, und der Regen peitschte ihm ins Gesicht. Das Dorf, die Straße, die Teiche, ja sogar der Silo nebenan verschwanden in der Dunkelheit hinter dem Regenvorhang.
    Aber Renaud wollte sich Gewißheit verschaffen, kehrte noch einmal zurück, suchte den Lichtschalter und knipste das Licht an. Es war gut, daß die Scheune mit dem Silo zusammen elektrisches Licht hatte.
    Loulou zupfte ihre Kleidung zurecht und sah ihm vom Heuboden aus zu. Er winkte ihr zu und lachte sie an.
    „Schätzchen, bleib oben. Du brauchst dich nicht zu ängstigen. Ich bin gleich wieder da“, versprach er ihr.
    Er machte die Runde um Scheune und Silo. In die alte Scheune konnte man leicht
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