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036 - Die Hand des Würgers

036 - Die Hand des Würgers

Titel: 036 - Die Hand des Würgers
Autoren: Maurice Limat
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davon verstanden.
    In einem Buch habe ich aber einmal gelesen, daß manchen Verbrechern, die man nicht zum Tod verurteilen konnte, eine Hand abgehackt wurde. Solche Sachen verstehe ich natürlich schon, und als ich das las, hat es sehr großen Eindruck auf mich gemacht.
    Anderen Verbrechern hat man mit dem Beil den Kopf abgehackt. Das hätte ich nie fertiggebracht. Ich quäle ja nie ein Tier und werfe höchstens mal einer. Katze, die mich ärgert, einen Stein nach. Aber das mit der abgehackten Hand hat mir mächtig imponiert, weil der Mann nicht einmal eine Infektion bekommen hat, sondern am Leben geblieben ist.
    Es war seine rechte Hand gewesen. Die, mit der man das meiste arbeitet, mit der man auch einen Menschen oder ein Tier streichelt.
    Und die Hand, die einen Menschen töten kann.
    Meine Hand flößt mir Entsetzen ein. Die rechte Hand, weil man mit ihr tötet; aber das wage ich nicht.
    Ein Beil, ein Hackklotz und eine abgehackte Hand.
    Ob ich soviel Mut hätte, es zu tun?
    Am besten wäre, man würde den Ärmel ganz über die Hand ziehen, ihn auf den Hackklotz legen und dann mit einem Beil, mit einem einzigen Schlag …
    In der Nacht, nachdem ich das gelesen hatte, quälten mich schreckliche Träume. Sie handelten aber nicht von der grausam abgehackten Hand, und deshalb wußte ich auch nicht, woher sie kamen.
    Ein paar Tage lang verfolgte mich aber die Idee. Ich sagte mir immer, es sei doch alles furchtbar einfach, und wenn man von einer Idee so besessen ist, wie ich, dann muß man ja schließlich zu einem Ergebnis kommen.
    Es ist doch alles so einfach, sagte ich mir deshalb ununterbrochen vor.
    Und wenn ich alles genau wissen will, was man dabei fühlt und erlebt, dann gibt es nur eine einzige Lösung.
    Kann man denn so etwas tun? Man braucht einen unmenschlichen Mut dazu, eine Willenskraft, die weit über das Normale hinausgeht. Aber wohin führt das? Ich bin ja ein Dummkopf und kann es mir nicht recht ausmalen. Über die Zukunft habe ich mir noch nie viel Gedanken gemacht.
    Trotzdem. Man müßte … Nein, das kann ich nicht. Es ist zu schrecklich. Da denkt man sich allerhand Sachen aus, und dabei erregt man sich so, daß man sie auch für möglich hält.
    Später, wenn man dann wieder ruhiger ist und nüchterner denkt, findet man es wahrscheinlich verrückt, über so etwas überhaupt nachzudenken. Wie kommt ein Mann dazu, sich selbst die Hand abzuhacken?
    Das ist ja furchtbar, und lächerlich ist es auch. Nein, einfach ist es gewiß nicht, und erst die Folgen!
    Aber ich bin mit meinen Überlegungen schon zu weit gegangen. Geht man erst den größten Teil des Weges zu einem gewissen Ziel, dann kann man den Rest auch noch zurücklegen. Und außerdem ist doch wirklich alles für mich so schrecklich einfach. Ich arbeite in einer Sägemühle. Nur tagsüber natürlich, denn nachts denke ich darüber nach, immer nur darüber.
    Die Arbeit in der Sägemühle ist hart. Auf einem großen Grundstück von Monsieur Velier sind viele hohe Pappeln gefällt worden, und die kommen alle in die Sägemühle. Wie ungeheure Leichen werden sie gebracht, und sogar im Tod sehen sie noch edel aus. Als ich beobachtete, wie sie gebracht wurden, mußte ich an die Ritter in Monsieur Feras’ Bücher denken; die waren auch im Tod noch groß und eindrucksvoll.
    Aber dann verschwindet ihre ganze Größe und ihr edles Aussehen in einem Sägemehlregen unter der Kreissäge.
    Trotz meiner Schutzbrille habe ich abends immer entzündete Augen, denn der feine Holzstaub frißt sich überall durch. Dann kann ich nicht schlafen und denke immer an die abgeschnittene Hand.
    Früher habe ich ziemlich viel gegessen, aber jetzt bin ich mit einem Becher Wein, manchmal mit zweien, zufrieden. Selbstverständlich weiß ich, daß das nicht besonders gut ist, auch nicht klug, aber klug war ich ja noch nie und brauche es auch nicht zu sein. Das wäre für mich viel zu anstrengend. Aber der Wein macht Mut.
    Ich brauche einen Hackklotz. Der Meister hat einen alten, der von einer großen Ulme stammt. Er ist sehr knotig und hat noch eine Menge Wurzeln. Den könnte er mir geben. Mit einem Schubkarren wäre er leicht nach Hause zu schaffen. Und ein Beil habe ich selbst.
    Noch einen Becher Wein, und dann habe ich den Mut, mir zu sagen, daß der richtige Moment gekommen ist.
    Den Hackklotz habe ich richtig nach Hause und in die Scheune geschafft. Faraud, mein Hund, scheint sich Gedanken zu machen und will mir in die Scheune folgen, aber ich habe ihn im Haus eingesperrt.
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