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036 - Die Hand des Würgers

036 - Die Hand des Würgers

Titel: 036 - Die Hand des Würgers
Autoren: Maurice Limat
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wird auch schon dunkel, und die Bogenlampen werden eingeschaltet. Ein paar Sterne sind schon kalt und glitzernd am Himmel zu sehen, und die Kameraden mit den Schutzbrillen schauen noch unheimlicher aus.
    Die Schneide der Säge mit ihrem schrillen Kreischen bringt mich zum Erschauern. Ich schiebe ihr die großen Klötze zu, und sie frißt sich durch das frische Holz. Der Sägemehlstaub ist wie Blut, das davonspritzt.
    Fasziniert schaue ich zu. Ich kann mich kaum mehr bewegen. Diese silberne Schneide scheint sich ebenso in meine Gedanken zu fressen wie in das noch saftige Holz der Pappeln, und ich scheine in einer ganz anderen Welt, in einer unbekannten, phantastischen Welt zu leben.
    In einer Welt, in der ich frei bin, wo ich nicht mehr das Bedürfnis habe, einen Menschen zu töten, weder Mortagne, noch sonst einen. Auch nicht die Katze oder sonst ein Tier. Wo ich keine rechte Hand mehr habe, keine Hand des Verbrechens, die töten möchte und mich zu töten zwingen will.
    Noch ein Holzblock, der letzte. Und dann …
    Es wäre doch so einfach, und es ginge so schnell, daß ich kaum etwas spüren würde.
    Der andere Kamerad bringt noch ein paar Klötze, damit ich sie unter die Säge schiebe. Ich weiß nicht, wie oft sich diese funkelnde Scheibe in der Minute dreht.
    Mit dem Beil kann ich es bestimmt nie. Aber mit dieser Kreissäge. Ehe er mir den Klotz zureichen kann, lege ich mein Handgelenk auf den Sägetisch und schiebe mit der linken Hand nach …
    Ein Schrei hallte durch die ganze Werkshalle, und die Leute rannten zur ununterbrochen weiterlaufenden
    Kreissäge.
    Neben der Säge und halb unter dem Sägetisch lag Pascal. Das Blut spritzte im Rhythmus des Pulsschlages aus dem Armstumpf und versickerte im Sägemehl.
    „Was ist denn los? Ein Unfall?“
    „Ja, ich glaube. Pascal, dieser Trottel.“
    „Das wundert mich nicht. Einen solchen Schwachkopf an eine Kreissäge stellen ist schon mehr als gefährlich.“
    „Wie ist es denn passiert?“
    „Er ist mit der Hand auf den Sägetisch geraten. Man fragt sich nur, wie er das angestellt hat.“
    „Seid lieber ruhig und haltet Frieden. Wir müssen telefonieren. Die Gendarmerie. Und eine Ambulanz muß schnellstens kommen.“
    „Einen Notverband müssen wir anlegen, sonst verliert er zuviel Blut. Ist schon jemand um Verbandszeug weg?“ „Wenn der Arm nicht gleich abgebunden wird, verliert er wirklich zuviel Blut. Dann stirbt er. Du lieber Himmel, die ganze Hand glatt abgeschnitten! Mit der Kreissäge!“
     

     

Pascal lag auf der Trage. Er blutete noch immer entsetzlich. Die Arbeiter, die sich über ihn beugten, sahen in seinen Augen so etwas, das sie als Flamme der Freude hätten deuten können.
    Seltsam.
    Gut, daß sie diesen hellen Schimmer nicht richtig verstanden.
     

     
    In der Ferne grollte der Donner. Es war ungeheuer schwül, und die Kleider klebten einem am Leib.
    Im Heu war unterdrücktes Kichern zu vernehmen, dann raschelte es heftig.
    Das Mädchen wehrte sich kichernd, warf sich dann aber so unvermittelt herum, wie es eigentlich nur Mädchen tun.
    „Laß mich in Ruhe! Du tust mir weh!“ rief sie.
    Der junge Mann war fassungslos verblüfft.
    „Ich will dich doch nur ein bißchen umarmen“, sagte er. „Das weißt du doch, Liebling.“
    „Das ist aber noch lange kein Grund, dich so brutal zu benehmen!“
    „Loulou, aber du bist doch sonst nicht so.“
    Loulou, eine stramme Siebzehnjährige mit reizender Figur und einem hübschen, glatten Lärvchen, rollte sich auf die Seite, von ihm weg.
    „Wenn du nichts anderes zu sagen weißt, dann kannst du dir das auch noch sparen, verstehst du?“
    Ihr Galan, der auch nur zwei oder drei Jahre älter war als sie, griff nach ihr, um sie festzuhalten.
    „Komm, zier dich doch nicht so, Loulou.“
    „Nein! Nichts da! Ich hab dir doch gesagt, daß es mir jetzt reicht!“
    Vermutlich war es nur das in der Luft liegende Gewitter, das die kleine Loulou so reizbar machte. Er war ja ein robuster Bauernjunge, der schon einige Erfahrungen mit Mädchen aufwies. Er hatte es mit der Zeit so hingedreht, daß sie, als die ersten Blitze zuckten, zu jener einsam gelegenen Scheune kamen. Dort gab es genug Heu und Stroh, und er wußte, daß die verführerische Weichheit des Heus und sein köstlicher Duft immer eine erotische Atmosphäre schufen, die jedes Mädchen auf seine Tugend pfeifen ließ.
    Und Loulou war doch mit ihm zur Scheune gegangen. Jetzt aber zupfte sie ihren Rock zurecht und schickte sich an, die lange Leiter
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