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0359 - Meine Henkersmahlzeit

0359 - Meine Henkersmahlzeit

Titel: 0359 - Meine Henkersmahlzeit
Autoren: Jason Dark
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aufklären.«
    Zunächst kam der Ober. Er räumte das Frühstücksgeschirr zur Seite und fragte nach unseren Wünschen.
    Ich bestellte Wasser ohne Kohlensäure.
    Mein Vater lächelte. »Eiferst du jetzt deinem Chef nach, John?«
    »Nur heute«, schwächte ich ab.
    »Na denn.« Der Ober wartete noch, hatte sein Lächeln einfrieren lassen und hörte zu, wie mein Vater für sich ein Bier bestellte. »Es ist mein Neujahrstrunk«, sagte er wie entschuldigend zu mir.
    Ich hob die Schultern. »Das kenne ich. Früher sind wir ja mal zusammen am Neujahrstag einen heben gegangen.«
    »Ja, das ist lange her. Alles ist so lange her, auch der Fall, der mich nach London geführt hat.«
    »Wieso?«
    »Moment noch.« Mein Vater wartete ab, bis der Ober unsere Getränke gebracht hatte.
    Ich schüttelte mich, als ich sah, wie mein Dad den ersten Schluck nahm. Nie hätte ich jetzt ein Bier herunterbekommen. Das glich schon einer Marter, hier zuzuschauen.
    Meinem Vater schmeckte es. Er nahm auch seine Pfeife, zündete den Tabak frisch an und paffte die ersten Züge. Der blaugraue Rauch schwebte dem Fenster zu, wo er sich verteilte.
    Ich dachte daran, daß ich in diesem Hotel vor Jahren einen schrecklichen Fall erlebt hatte, und wahrscheinlich würde hier auch ein zweiter beginnen, denn mein Vater war sicherlich nicht ohne triftigen Grund bei mir in London erschienen.
    Daß er Sorgen hatte, las ich von seinem Gesicht ab. Falten zeichneten die Stirn, und er schien nicht so recht zu wissen, wie er das Gespräch beginnen sollte.
    Ich baute ihm eine Brücke. »Fang einfach an, Dad, irgendwie ergibt sich dann alles.«
    »Sicher, mein Junge, sicher.« Jetzt sprach er schon wie meine Mutter. Er dachte auch an sie, denn er sagte: »Ich habe deiner Mutter erklärt, daß ich hier wohne und daß es eine Männersache zwischen dir und mir wäre. Eine genaue Schilderung muß ich ihr natürlich nachliefern, aber lassen wir das, John. Sagt dir eigentlich der Name Akim Samaran etwas?«
    Ich schaute ihn an und schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Aber mir. Es ist schon lange her, John, du warst noch gar nicht auf der Welt, und ich stand gewissermaßen am Beginn meiner Karriere. Selbständig hatte ich mich damals noch nicht gemacht. Zwei Studienfreunde und ich arbeiteten zu der Zeit noch als Referendare zusammen und versuchten, uns die ersten Sporen zu verdienen. Damals ging es um diesen Akim Samaran. Er war im eigentlichen Sinne kein Verbrecher oder Gesetzesbrecher, das möchte ich mal vorausschicken, aber er war ein ungewöhnlicher Mensch. Angezeigt haben ihn Eltern, weil er die Kinder dieser Eltern zwar nicht gerade entführte, aber doch in sein Haus lockte.«
    »Stand er auf Jungen? War er von der Veranlagung her…«
    Mein Vater winkte ab. »Nichts von dem, was du denkst, John. Es ging ihm um etwas anderes. Er lockte sie zwar in sein Haus, aber das aus einem bestimmten Grund. Er benötigte sie als Modell. Samaran, der aus dem Orient stammt, war ein begnadeter Künstler. Schon in seiner persischen Heimat war er als Bildhauer bekannt geworden. Aus welchem Grund er den Iran damals verlassen mußte, ist nicht bekannt. Jedenfalls ließ er sich in London nieder. Da er keinen anderen Beruf gelernt hatte, arbeitete er in seinem Beruf weiter und modellierte Menschen. Er bekam sogar Geld dafür, denn es gab Eltern, die sich von ihren Kindern lebensgroße Puppen machen ließen und sie sich in die Wohnung stellten.«
    »Das ist ja furchtbar«, flüsterte ich.
    »Sicher ist das abartig. Die Kinder werden größer, sie verändern sich, und dann stell dir vor, du hast in deiner Wohnung einen Menschen stehen, der damals zehn oder zwölf Jahre alt gewesen ist und sich nicht verändern kann. Das als Background. Wir wurden auf Samaran aufmerksam, weil man ihn angezeigt hatte. Er hatte wohl nicht genügend Aufträge, und da er besessen war, holte er sich aus diesem Grunde andere Kinder in sein Atelier und modellierte sie nach. Verstehst du?«
    »Natürlich, Dad. Die Eltern der Kinder hatten eine verständliche Angst und schalteten die Polizei ein.«
    »So war es. Wir vom Gericht vertraten die Anklage, denn die Eltern der quasi entführten Kinder wollten ein Berufsverbot erwirken. Das schafften sie auch. Akim Samaran durfte seinen Beruf nicht mehr öffentlich ausüben. Was er nach diesem Urteilsspruch machte oder tat, ist mir bisher unbekannt geblieben. Ich kann mich nur daran erinnern, daß er meinen Kollegen Fred Anderson und Simon Clarke sowie mir damit gedroht hat, daß
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