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034 - Der Weg nach Westen

034 - Der Weg nach Westen

Titel: 034 - Der Weg nach Westen
Autoren: Jo Zybell
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übermenschlicher Kraft rammte er ihm den Speer tief in den Hals. Die Schwinge traf ihn hart. Wie eine Strohpuppe wirbelte er durch die Luft und schlug auf dem Boden auf. Die Welt um ihn herum versank in finstere Nacht.
    Als er wieder zu sich kam, war der Eluu tot.
    Barah, Jenny und Frike standen um Daanahs leblosen Körper. Sie weinten laut…
    ***
    Sie wickelten Daanahs Leichnam in eine Lederdecke und legten ihn zwischen die mittleren Säulen des Brandenburger Tors. Dann schichteten sie Steine über ihm auf. Schwerer als der trübe Herbsthimmel lastete die Trauer auf ihnen. Jenny sprach ein Gebet. Dave hörte es kaum. Er fühlte sich leer, weiter nichts es war, als hätte man ihm das Herz aus dem Leib gerissen.
    Danach zog er sich in die Museumsruine zurück. Fast sechs Wochen lang haderte er mit Gott, sprach mit seinem Bruder, weinte um die Geliebte. Die Zukunft schien ihm vorüber zu sein. Die Spitfire, die auf dem Pariser Platz auf ihn wartete, blendete er einfach aus.
    Es war der Morgen des 20. Dezember, als Jenny durch die Luke der alten Maschine in seine Behausung kletterte. Sie brachte Früchte, kaltes Fleisch und frisches Wasser, wie sie es all die Zeit über getan hatte. Das Erste, was er wahrnahm, war nicht ihr besorgtes Gesicht, sondern der Bauch, der sich unter ihrer Kleidung wölbte.
    »Du bist schwanger.« Es war keine überraschte Frage, es war eine einfache Feststellung. Jenny nickte stumm. »So ist das«, sagte Dave, »die einen gehen, die anderen kommen.« Jenny ließ sich neben ihm nieder. Eine Zeitlang schwiegen sie.
    »Wann fliegst du?«, fragte sie irgendwann.
    »Wohin sollte ich noch fliegen?«
    »Nach London. Zu Matt Drax.«
    »Wozu?«
    »Du darfst jetzt nicht resignieren, Dave.« Jenny legte den Arm um seine Schulter.
    »Wer sagt das?«
    »Ich. Und Daanah würde es auch sagen. Du darfst nicht aufgeben. Du musst fliegen.«
    Er antwortete nicht, sondern nahm seine Brille ab und begann sie mit dem Kragen seines Overalls zu putzen.
    »Diese Welt ist so anders als die, die wir kennen, Dave«, fuhr Jenny fort. »Der Tod ist allgegenwärtig in ihr, das Leben eine ständig dem Sturm ausgesetzte Kerzenflamme. Man muss froh sein um jeden Monat, den man überlebt.«
    »Warum sagst du mir das?«
    »Mehr als vier Monate habt ihr gehabt, Daanah und du. Vier glückliche Monate habt ihr für ein gemeinsames Ziel gearbeitet.«
    »Sie ist nicht mehr da.«
    »Das Ziel gibt es noch.«
    »Ich bin ein Anderer seit ihrem Tod.«
    »Dave…« Jenny zog seinen Kopf auf ihre Schulter und streichelte ihn. »Trauere, so lange du trauern musst, aber fang wieder zu leben an. Das Leben ist zu kurz, um auch nur einen Tag zu verschwenden. Das würde Daanah genauso sehen; ich hab sie gut gekannt. Du hast ›Christopher-Floyd‹ überlebt, du hast den Überfall der Menen vor neun Monaten überlebt, du hast die Gefangenschaft überlebt und ein Flugzeug gebaut. Das Leben hat irgendetwas vor mit dir.«
    ***
    Vier Tage später, am 24. Dezember kehrte Dave ins Leben und zu seiner Spitfire zurück. Ein kalter Heiliger Abend. Und ein trauriger. Wieder hatte sich der ganze Stamm am Brandenburger Tor versammelt. Aber diesmal war da keine Spur von ausgelassener Freude. Ein schweigsamer Abschied war es.
    Sie zogen die Schutzplane von der Spitfire, die Jennifer Jensen am Tag nach Daves Rückzug hatte darüber legen lassen, um das Flugzeug vor Regen und Schnee zu schützen.
    »Viel Glück«, sagte Jenny, bevor er die Cockpitkuppel über sich schloss.
    Der Motor sprang an, die Maschine rollte über den Pariser Platz und hob ab. Dave drehte noch eine Runde über dem Brandenburger Tor, über Daanahs Grab, dann nahm er Kurs Richtung Westen…
    Er flog nicht höher als sechstausend Fuß, obwohl die Spitfire locker auf über dreißigtausend Fuß steigen konnte. Aber er wollte das Land unter sich sehen.
    Viel sah er nicht. Fast nur Wald, hin und wieder ein paar Ruinen, aber nicht viele. Die Natur hatte Deutschland zurück erobert.
    Er flog nicht schneller als dreihundert Stundenkilometer. Die Original Spitfire machte fast sechshundert Stundenkilometer, aber das wollte Dave nicht ausreizen. Er wusste nicht, ob sein Eigenbau der Belastung standhalten würde. Und er wollte es auch nicht wissen. Anderthalb oder drei Stunden bis nach London oder was von der britischen Metropole noch übrig sein mochte, was machte das für einen Unterschied? Zu Fuß oder auf einem Sebezaan hätte er Monate gebraucht.
    Nach etwa anderthalb Stunden veränderte sich die
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