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0338 - Grauen in der Geisterstadt

0338 - Grauen in der Geisterstadt

Titel: 0338 - Grauen in der Geisterstadt
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Amos war von Natur aus mißtrauisch. Wahrscheinlich hatte er nur deshalb so viele Jahrtausende überleben können, davon etliche als Fürst der Finsternis, ehe es Leonardo deMontagne gelang, ihn zu entthronen.
    Sid Amos stand jetzt auf der anderen Seite, obgleich er Mittel anwandte, die Professor Zamorra nicht immer gutheißen konnte. Doch Amos war der Ansicht, daß der Zweck die Mittel heiligte, wenn es darum ging, die Scharen des neuen Höllenfürsten in ihre Schranken zu weisen.
    »Teufel bleibt Teufel«, hatte der Druide Gryf gesagt. »Mag er sich jetzt Sid Amos nennen statt Asmodis, mag er eine Kehrtwendung um 180 Grad gemacht haben - ich traue ihm nicht.« Und Gryf und Teri Rheken sowie der Wolf Fenrir hatten Caermardhin, Merlins unsichtbare Burg, verlassen.
    Sid Amos störte das nicht. Er konnte den beiden Druiden ihre schlechte Meinung über ihn nicht verdenken. Immerhin waren sie alle oft gegeneinander angetreten, und nicht immer war es für Teri und Gryf angenehm gewesen.
    Aber diese Zeit der Kämpfe war vorbei.
    Merlin, der geheimnisvolle Zauberer aus ferner Vergangenheit und Berater Zamorras, hatte Sid Amos, seinem Dunklen Bruder, Asyl in Caermardhin gewährt. Und Amos dachte nicht daran, dieses neue Domizil so bald wieder aufzugeben. Er hatte noch eine Reihe von Tarnexistenzen überall auf der Welt, aber er kehrte immer wieder nach Caermardhin zurück. Die unsichtbare Burg im Südwesten von Wales war ein sicherer Hort.
    Somit hätte Sid Amos zufrieden sein können. Aber er war eben mißtrauisch. Und irgendwann in letzter Zeit war ihm bei einem von Professor Zamorras Gefährten etwas aufgefallen.
    Bill Fleming hatte sich irgendwie verändert. Zwar hatte er sich wieder gefangen, was seine Depressionen nach Manuelas Tod anging, aber er war härter und brutaler geworden. Rücksichtsloser.
    Sid Amos war ein guter Menschenkenner. Er hatte sie, die Menschen, immerhin jahrtausendelang in seiner Eigenschaft als oberster Seelenfänger der Hölle studieren können. Und er wußte, daß mit Bill etwas nicht stimmte. Der Historiker unterlag einem fremden Einfluß.
    Sid Amos wollte wissen, was für ein Einfluß das war. Also fixierte er eines seiner beiden Amulette, die äußerlich dem von Zamorra aufs Haar glichen, innerlich aber mit anderen Kräften ausgestattet waren, bisweilen auf Bill Fleming, um ihn aus der Ferne unbemerkt zu beobachten.
    Aber er fand dabei nicht viel heraus. Nur daß Bill häufig mit dem Prydo experimentierte, ohne Fortschritte zu erzielen, und daß in Bills Wohnung die Fliegen von selbst tot von der Wand fielen.
    Es war reiner Zufall, daß Sid Amos auch an diesem Tag wieder beobachtete. Er sah den Historiker, wie er die Beschwörung vornahm. Eine Beschwörung, wie sie Amos in dieser Form noch nicht erlebt hatte. Amos konnte keinen klaren Sinn darin erkennen. Kein Dämon der Hölle konnte auf diese Weise angesprochen werden.
    »Seltsam«, murmelte der ehemalige Teufel.
    Und dann erkannte er, was Bill Fleming tat.
    Der blonde Amerikaner streckte seine »Hände« in den Abgrund der Zeit aus, um sie in ihrem Ablauf zu verändern…
    Unwillkürlich stöhnte Amos auf. Fleming mußte den Verstand verloren haben, wenn er das wagte!
    ***
    Der Körper der Zeitlosen begann von innen heraus zu leuchten, als sie alle ihre Kraft einsetzte, über die sie verfügte. Um das zu schaffen, was sie vorhatte, mußte sie das in ihr lebende Erbe zweier gewaltiger Völker voll ausschöpfen.
    Das blaue Leuchten wurde so hell wie das einer Sonne. Die Zeitlose glich einem flammenden Fanal, einer Lichtsäule aus purer Energie.
    Und sie griff in das Geschehen ein.
    Sekundenlang nur materialisierte sie in der Vergangenheit, in der Geisterstadt mitten in der Kampfszene, und mit beiden Händen faßte sie zu, als Wang Lee Chan das Schwert des römischen Hauptmanns hochriß. Die Klinge konnte ihre Haut nicht zerschneiden, die von flammender blauer Energie umhüllt wurde. Sie riß das Schwert an sich und nahm es mit sich fort. In dem Moment, als die Zeitlose zurückkehrte in die Gegenwart, in der sie sich jetzt eigentlich zu befinden hatte, spürte sie einen schmerzhaften Stich.
    Und sie wußte, daß irgend etwas, das sich ihrer Kontrolle entzog, schiefgegangen war…
    Sie vermochte nicht weiter zu beobachten. Sie kämpfte dagegen an, daß ihr Kraft entzogen wurde für einen anderen, bizarren Vorgang. Sie schrie noch, als sie längst das Bewußtsein verloren hatte und die endlose Schwärze des Weltraums sich um ihren Geist legte.
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