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033 - Das vertauschte Gehirn

033 - Das vertauschte Gehirn

Titel: 033 - Das vertauschte Gehirn
Autoren: Peter T. Lawrence
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an mir selbst vorbei, denn der Mann in der Tür bin ich.

    Ich glaube, ich bin ein wenig durcheinander. Am besten, ich beginne die Geschichte ganz von vorn, denn sonst versteht mich niemand. Aber wo soll ich anfangen? Bei meiner Verurteilung? Oder bei der Verhaftung? Nein, noch früher. Um genau zu sein, begann alles am 2. September dieses Jahres. Das war, als ich zum ersten mal Doc Lundi gegenüberstand.
    Der Doc war ein kleiner, schmächtiger Mann, und als ich sein Sprechzimmer betrat, saß er in einem weißen Kittel hinter einem Schreibtisch und sah mir entgegen. Er betrachtete mich interessiert, bot mir Platz und eine Zigarette an, lächelte freundlich.
    „Sie wollen sich also Ihr Gesicht operieren lassen, Mr. Morgan“, eröffnete er unser Gespräch. „Nun, Sie sind bei mir genau an der richtigen Adresse. Ohne großsprecherisch zu sein, darf ich wohl sagen, daß ich auf dem Gebiet der chirurgischen Gesichtsveränderung der erfolgreichste Mann in der Welt bin. Sie sind also in guten Händen, Mr. Morgan.“
    Er flößte mir sofort Vertrauen ein, und das ist wichtig für einen solchen Arzt. Der Patient muß an ihn glauben, sich auf sein neues Gesicht freuen, der Operation entgegen fiebern. Dann ist die neue Visage schon so gut wie gelungen. Und bei meinem Gesicht konnte er ohnehin nichts mehr verpfuschen. Wenn ich in den Spiegel sah, kam es mir vor, als würde ich einer Riesenkrähe in die Augen sehen. Zwar bin ich kein eitler Fratz, aber ich brauchte einfach ein neues Gesicht damals. Schließlich konnte ich Elisabeth nicht zumuten, ihr Leben lang mit einer Krähe durch die Straßen zu spazieren. Und ich wollte um ihre Hand anhalten, weil ich sie liebte. Liebte, wie nichts anderes auf der Welt.
    „Hm“, sagte der kleine Doc. „Jetzt erzählen Sie mir doch mal, warum Sie ein neues Gesicht haben wollen, Mr. Morgan. Es muß doch einen Grund dafür geben, das Sie jetzt – ich schätze Ihr Alter auf etwa dreißig – zu mir kommen, obwohl Sie ein halbes Leben lang mit dem angeborenen Gesicht zufrieden waren.“
    „Ich liebe ein Mädchen, Doc“, antwortete ich leise. „Zum ersten mal in meinem Leben liebe ich eine Frau so heftig, das ich für sie sterben würde, wenn es sein müßte. Und zum ersten mal spüre ich, das mich diese Frau auch lieben würde, wenn – nun, wenn ich nicht diese fürchterliche Fresse mit mir rum tragen müßte!“
    „Also gut.“ Doc Lundi blickte mich prüfend an, machte sich ein paar Notizen und fragte dann unvermittelt: „Wie heißt diese Frau?“
    Ich war verwirrt. Warum wollte er das wissen?
    „Wieso interessiert Sie das?“
    „Das Thema unserer Unterhaltung sollte einen Namen haben.“
    „Sie heißt Elisabeth“, sagte ich leise. „Sie ist vierundzwanzig Jahre alt, schlank, und sie hat langes, blondes Haar, das bis zu den Schulterblättern hinab reicht. Ihre Augen sind groß und blau, wie unschuldige Kinderaugen, und wenn sie lächelt, dann – dann bleibt die Erde für mich stehen.“
    Er hatte sich wieder ein paar Notizen gemacht, von denen er nun aufsah. „Ihre Stimme klang etwas wehmütig eben“, sagte er ruhig. „Hat Elisabeth einen Geliebten?“
    Ich sah ihn überrascht an.
    „Ja – woher …?“
    „Ich dachte es mir.“ Er lächelte. „Und? Ist er kein Hindernis in der Zukunft?“
    „Er ist ein Holzkopf!“ sagte ich. „Mike Holbers sieht zwar gut aus, aber er hat Stroh im Kopf. Ich weiß nicht, wie sie so verrückt nach ihm sein kann. Manchmal höre ich sie lachen, wenn ich im Bett liege, nachts, und alles still um mich ist. Die Zwischenwände sind nicht sehr dick, man kann vieles verstehen, was drüben geredet wird. Mike Holbers hat keinen Funken Charme.“
    „Aber vom Aussehen her scheint er Elisabeths Typ zu sein. Um ganz sicher zu gehen, sollten Sie ihm in gewisser Weise gleichen.“
    „Alles, nur nicht das!“ sagte ich heftig. „Ich hasse diesen Mann wie die Pest. Ich könnte meinen eigenen Anblick nicht mehr ertragen.“
    „Nun, Sie sollen ja auch nicht ein Spiegelbild von Mike werden, sondern nur typenmäßig zur gleichen Kategorie Mann gehören.“
    Hm, das klang nicht übel. Man kann völlig anders aussehen, trotzdem aber ein ähnlicher Typ sein. Was würde Elisabeth wohl sagen, wenn ich sie im Treppenhaus ansprechen würde? Nein, Treppenhaus war nicht gut! Ich würde einfach an ihrer Tür klingeln, ihr einen Strauß Blumen in die Hand drücken und mich als ihr neuer Nachbar vorstellen. Wir würden eine Flasche Sekt zusammen trinken, irgendwo
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