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0327 - Wer die Blutfrau lockt

0327 - Wer die Blutfrau lockt

Titel: 0327 - Wer die Blutfrau lockt
Autoren: Rolf Michael
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den stöhnenden Joe zurück. Der vorher kräftige Junge schwankte kraftlos wie im Fieber. In seinen Augen war das irre Flackern tödlicher Angst.
    »Hilf mir, Thuss. Wir müssen ihn stützen. Er muß rausgebracht werden, bevor das Biest aus dem Sarg kommt!« heulte Ratta. Die Freundin verstand sofort. Sie wieselte um den Sarkophag herum und stützte Joe an der anderen Seite. Der Mann preßte verzweifelt die Hand auf die Stelle, wo ihn der Vampir in den Arm gebissen hatte und das Blut mit jedem Pulsschlag herausfloß.
    Unter Aufbietung aller Kräfte schleppten die beiden Mädchen Joe zur Treppe. So sehr sich der junge Mann auch bemühte, ihre Versuche zu unterstützen - er hatte keine Kräfte und sie mußten keuchend fast sein ganzes Körpergewicht voranzerren.
    »Da… der Vampir… er kommt… das Biest verläßt den Sarg!« kreischte Thuss, als sie sich umwandte. Auch Ratta sah zurück und in diesem Augenblick glaubte sie, daß alles verloren sei.
    Langsam aber stetig erhob sich Lord Edward of Rutherford aus dem steinernen Behältnis, wo er über 100 Jahre geruht hatte. Über 100 Jahre, in der in ihm der Drang nach dem Lebenssaft der Menschen ungestillt war. Nun endlich war die Nacht angebrochen, wo er hervorkam. Einige Tropfen hatten ihn zurückgerufen und durch das, was er aus Joe herausgesaugt hatte, war er kräftig geworden. Doch er wollte mehr. Viel mehr. Diese Menschen dort waren schwach und konnten ihm nicht entkommen.
    Sie waren die Beute dieser Nacht. Und in den anderen Nächten mußten sie ihm dienen.
    Ratta sah die wahnsinnige Gier in den Augen des zu unheiligem Leben erwachten Toten. Jetzt stand er auf dem Sarkophag. Langsam mit fast majestätischen Bewegungen stieg er herab. Er trug die vornehme Kleidung des vergangenen Jahrhunderts, und nur das weiße Hemd war auf der Brust mit roten Spritzern verunziert. Der Vampir machte keine Angriffsgebärde und ging nur langsam auf die Gruppe zu. Vergeblich versuchten die Mädchen, Joe die Treppe hinauf zu zerren.
    »Was bemüht ihr euch!« klang die Stimme des Nachtwesens in klirrender Kälte. »Ihr könnt nicht entkommen. Ihr seid in meinem Bann. Nichts rettet euch mehr - aber euer Blut wird meine Stärke und euer Leben meine Macht. Ich werde euch leertrinken bis zum letzten Tropfen - eure Seelen werden den Körper nicht verlassen, und ihr werdet mir dienen, bis der Jüngste Tag anbricht. Zittere nicht, Mädchen. Der Kuß des Vampirs erweckt in dir Gefühle der Lust, wie du sie nie zuvor erkannt hast!«
    »Wir müssen weg, Ratta!« heulte Thuss. »Ich will nicht sterben!«
    »Sieh mich an, ängstliches Mädchen. Hierher in meine Augen blicken mußt du!« Die Stimme des Vampirs klang befehlend. »Und nun sage, ob du einen Schritt gegen meinen Willen zu tun vermagst!«
    »Weg hier… weg…!« stammelte Thuss. Sie versuchte, Joe loszulassen und die Treppe emporzulaufen. Doch ihre Beine schienen wie von Beton umgossen. Sie bewegten sich keinen Zentimeter vorwärts.
    »Verdammt! Laßt mich nicht hier. Bringt mich hier weg!« keuchte Joe. »Das Biest bringt mich um… ich Narr habe einen echten Vampir geweckt…!«
    »Wir können selbst nicht mehr weg!« stieß Ratta hervor. »Er hat uns in seinem Bann. Es ist vorbei mit uns. Vampire haben hypnotische Zauberkräfte. Und jetzt wird er darauf achten, daß er unseren Knoblauchatem nicht mehr verspürt. Herrgott, was sollen wir bloß tun?«
    »Wir können nur noch beten!« sagte Joe düster.
    »Das werde ich auch tun!« sagte Thuss leise. »Vielleicht wird das Sterben dann leichter.« Und sie begann zögernd und stockend ein »Vaterunser« zu sprechen.
    Kaum flossen die ersten Worte des Gebets über ihre Lippen, als mit dem Vampir eine seltsame Veränderung vor sich ging. Ein eigenartiges Zittern durchlief seinen Körper. Er schwankte und schien von einer unsichtbaren Kraft zurückgedrängt zu werden.
    »Das Gebet hilft!« krächzte Joe. »Das Gebet ist unsere Stärke gegen die Mächte des Bösen und der Finsternis.« Er und Ratta fielen in die Worte ein, die Thuss immer lauter und klangvoller ausrief.
    Langsam wich der Bann des Vampirs von ihnen. Sie spürten, wie ihnen die Glieder wieder gehorchten. Unablässig betend zerrten sie unter Aufbietung aller Kräfte Joe die Treppe hinauf und ihn nach draußen. Die dunkle Gestalt, die zitternd hinter einem Grabstein hervorsprang, war Judas, der Joe jetzt stützte. Hinter ihnen versuchte der tobende Vampir sich gegen ein unsichtbares Hindernis voranzukämpfen. Doch er blieb
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