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0327 - Wer die Blutfrau lockt

0327 - Wer die Blutfrau lockt

Titel: 0327 - Wer die Blutfrau lockt
Autoren: Rolf Michael
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noch, daß er hier alleine absahnt!« stieß er hervor. »Anschließend erzählt er dann auch noch im Batcave, daß ich mir vor Angst in die Hose gemacht hätte. Kommt nicht in Frage, Alter. Wenn du das Ding wirklich aufmachen willst, bin ich dabei!«
    »Dann faß mal mit an!« knurrte Joe und wies an die andere Seite der Totenkiste aus Stein. Die beiden Mädchen zogen sich vorsichtig in Richtung Treppe zurück. Ihr Herz raste in höllischem Stakkato. Wie weit hatten sie sich jetzt vorgewagt? Standen sie nicht jetzt schon mit einem Fuß im Grabe und mit dem anderen im Fegefeuer?
    »Verdammt schwer, das Ding!« preßte Judas hervor, während er sich mit aller Kraft gegen die Steinplatte stemmte. Joe sagte gar nichts. Aber seinem keuchenden Atem war anzumerken, daß er alle seine Kräfte aufbot.
    Langsam bewegte sich die Platte des Sarkophages. Und plötzlich klappte er zur Seite ab und polterte zu Boden.
    Fahles Licht fiel in das Innere der Totenkiste.
    »Großer Gott!« krächzte Judas. »Das gibt es doch nicht. Der da drinnen ist völlig unversehrt. Der sieht aus, als ob er schläft!«
    »Blödsinn!« fauchte Joe. »Der ist nur in den vielen Jahren zusammengeschrumpelt wie eine Mumie. Gib mir mal die Lampe. Ich will nachsehen!«
    Zitternd reichte ihm Judas das Licht. Dann wich er zurück zu den beiden Mädchen, die sich aneinander festhielten. Zitternd sahen sie zu, wie Joe mit der Leuchte die Hand in den Sarg hinein senkte…
    ***
    Es waren einige Blutstropfen, die noch aus der geringen Schnittwunde an der Hand quollen und kalte Lippen netzten. Der rote Lebenssaft drang hinab in den Körper eines lebendigen Toten, der den Bann des Kreuzes nicht mehr über sich verspürte.
    Denn in den letzten Tagen seines Lebens hatte er eine unheimliche Begegnung. Dabei wurde Lord Rutherford zum Vampir. Es geschah an jenem Abend, als er am Friedhof vorbei ging und die weiße Gestalt auf sich zukommen sah. Alles in ihr war kalte, leblose Schönheit, der sich ein Mann nicht versagen konnte. Obwohl Lord Rutherford schon ein alter Herr war, flammte in ihm das Feuer noch einmal auf, als die Gestalt der jungen Frau ihn auf eigenartige Weise ansah und ihm winkte. Er begriff nicht, daß ihre weißen Kleider Totenlaken waren und daß er mit dem Kuß, den sie ihm gab, den Keim des Bösen erhielt. Der Kuß dieser Frau wurde ein Biß in die Halsschlagader. Aber es schmerzte nicht, sondern war auf eigenartige Weise erotisierend, wie es Lord Edward of Rutherford nie verspürt hatte. In diesem Kuß verlor er das Bewußtsein und wurde erst am Morgen gefunden.
    Man erzählte ihm später, daß er eine Erscheinung gesehen habe. Eine gewisse Lucy Westerna, die vor einigen Tagen gestorben war und von der man munkelte, daß sie in Vollmondnächten als Vampir umging. Einer der Diener wollte wissen, daß ein gewisser Professor Abraham van Helsing dem Treiben des Vampirs ein Ende bereitete. Doch das vernahm Lord Rutherford nur noch fast geistesabwesend. Denn er litt wieder unter einem der berüchtigten Malariaanfälle. Die Krankheit hatte er sich in Indien zugezogen, als er mit den britischen Truppen den Sapoyaufstand niederschlug. Anfälle dieser Art kamen unverhofft, und hohes Fieber begleiteten sie. Nach einigen Tagen klang die Krankheit so schnell ab, wie sie gekommen war. Nur diesmal nicht. Der vom Blutverlust geschwächte Körper hatte nicht genügend Abwehrstoffe und Lord Rutherford dämmerte hinüber in die Ewigkeit. Er war tot - und war es doch nicht. Der Kuß des Vampirs war noch nicht lange genug vorbei. Der Geistliche, der dem erkalteten Körper segnend mit dem Kruzifix die Stirn berührte, schrak zusammen, als sich an der Stelle eine brandrote Narbe bildete.
    Lord Edward of Rutherford spürte, wie man ihn zu Grabe trug. Standhaft weigerte sich der Geistliche, den Totenzug zu begleiten und am Grabe zu beten. Und dann drängte sich dieser alte Mann mit dem Akzent eines Holländers hervor und wollte, daß der Sarkophag geöffnet wurde.
    In seinem Tode erbebte Lord Rutherford, als er vernahm, daß er ihm einen angespitzten Eichenpfahl in die Brust schlagen wollte, wo beim Menschen das Herz sitzt - die einzig wirksame Methode, einen Vampir für alle Zeiten zu vernichten.
    Der Lord zitterte vor diesem unweigerlichen Ende - hatte jedoch auch Angst davor, sich in den Nächten erheben zu müssen, um dem Drang nachzugeben, Menschen zu fangen und ihnen das Blut auszusaugen. Aus jenen Sphären, wo er sich jetzt befand, hörte er, wie man Professor Van
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