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030 - Die zweite Realität

030 - Die zweite Realität

Titel: 030 - Die zweite Realität
Autoren: Michael J. Parrish
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knarzenden Holzstufen im Hausgang, die Regimentsstandarte auf dem Flur, das Vorzimmer, in dem Lieutenant Hagley ihren Dienst als Bellmanns Adjutantin versah. »Herzlich willkommen, Commander«, sagte die junge Offizierin, und ein breites Grinsen huschte über ihre feingeschnittenen Züge. »Der Major erwartet Sie bereits.«
    »Danke.« Matt ließ seinen Seesack im Vorzimmer zurück, trat dann ins Büro seines Vorgesetzten. Bellmann saß hinter seinem Schreibtisch, war noch immer jener weißhaarige, durchtrainierte und energisch wirkende Mann, als den ihn Matthew in Erinnerung hatte. Matt nahm Haltung an, seine rechte Hand schnellte hinauf zur Schläfe. »Commander Matthew Drax, Sir. Melde mich zurück zum Dienst.« Bellmann starrte ihn an, sagte einen Moment lang überhaupt nichts. »Mein Gott«, meinte er dann. »Wissen Sie, wie sehr ich diesen Augenblick in den letzten fünfzehn Monaten herbeigesehnt habe?« Mit einem Ruck schoss der Major in die Höhe und erwiderte Matts militärischen Gruß. »Schön, Sie wieder bei uns zu haben, Commander«, sagte er sachlich. »Und nun stehen Sie, verdammt noch mal, bequem und setzen Sie sich.«
    »Ja, Sir.« Matt kam der Aufforderung nach, gönnte sich ein erleichtertes Grinsen. »Tut verdammt gut, Sie wieder zu sehen, Sir.«
    »Was glauben Sie, wie es mir geht? Sie haben mir in den letzten Monaten ganz schön Sorgen gemacht. Mehr als einmal haben wir befürchtet, Sie zu verlieren.«
    »Ich weiß«, erwiderte Matt - und fragte sich unwillkürlich, ob dies die Phasen gewesen waren, in denen er drüben, in der anderen Welt, mit dem Tod gerungen hatte.
    »Sie fühlen sich wieder fit für den Dienst?«
    »Ich denke ja, Sir.«
    »Keine körperlichen Beschwerden?«
    »Nein, Sir.«
    »Und wie steht es mit Ihrer Psyche, Commander? Fühlen Sie sich schon wieder voll einsatzbereit?«
    »Unbedingt, Sir«, versicherte Matt - doch Bellmanns kantige Miene blieb skeptisch.
    »Leider«, sagte der Major, »schätzt Dr. Sirwig die Lage nicht ganz so optimistisch ein wie Sie, Matthew. Er hat mir von einigen Problemen berichtet, die sie hatten. Er sprach von latenten Wahnvorstellungen und Realitätsverlust infolge der langen Bewusstlosigkeit…«
    »Das ist vorbei, Sir«, versicherte Matt schnell - wenngleich das nicht ganz der Wahrheit entsprach. Aber wenn es auf dieser Welt überhaupt einen Platz gab, an dem er bald wieder einen klaren Kopf bekommen würde, so war dies das Cockpit eines Flugzeugs.
    »Lassen Sie mich wieder fliegen, Sir, bitte! Ich versichere Ihnen, dass ich wieder ganz der alte bin. Lassen Sie mich in mein altes Leben zurück, und ich werde Sie nicht enttäuschen.« Bellmann sah ihn schweigend an, musterte ihn eine Weile. »Weiß Gott, Matt«, sagte er dann, »ich bin froh darüber, dass Sie wieder bei uns sind. Sie haben uns allen sehr gefehlt. Hätte ich nur für Sie allein zu entscheiden, würde ich Ihnen hier und jetzt erlauben, Ihre Tätigkeit als Kampfpilot wieder aufzunehmen. Aber als Kom- mandant dieser Basis habe ich das Wohl aller meiner Leute im Auge zu behalten. Und nach allem, was geschehen ist, kann ich nicht riskieren, sie wieder ins Cockpit eines Jets zu setzen. Noch nicht.«
    »Aber Sir, ich…«
    »Sie werden sich weiterhin von Dr. Sirwig behandeln lassen. Er ist Spezialist für posttraumatische Syndrome, arbeitet seit dem Golfkrieg auf diesem Gebiet. Erst wenn er mir sagt, dass Sie vollständig genesen sind und Ihre Psyche so stabil ist wie früher, werde ich Sie wieder fliegen lassen.«
    »Sir!«, entfuhr es Matt entsetzt. »Bitte! Ich bin nicht krank, ich…«
    »Ohne Behandlung keine Lizenz«, machte Bellmann klar - und setzte damit der Diskussion ein Ende, noch ehe sie richtig begonnen hatte.
    Matt verstummte, blickte zu Boden. Er fühlte ohnmächtige Wut in sich aufkeimen - vielleicht eine Folge der Tatsache, dass er an Autorität nicht mehr gewohnt war. In der anderen Welt hatte das uneingeschränkte Recht des Stärkeren regiert…
    ***
    Der Gedanke, nicht wieder fliegen zu können, erschreckte Matt, machte ihm Angst. Andererseits konnte er Bellmann durchaus verstehen. Wer vertraute schon einem Mann, der behauptete, mit Barbaren durch die Lande gezogen zu sein und sich mit mannsgroßen Ratten herumgeschlagen zu haben?
    »Also gut, Sir«, erklärte er zähneknirschend. »Ich bin einverstanden.«
    »Sehr gut, Matt.« Über Bellmanns Züge huschte ein erleichtertes Lächeln. »Sie werden sehen, schon in ein paar Wochen sieht alles anders aus. Alles wird
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