Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
03 - Schatten Krieger

03 - Schatten Krieger

Titel: 03 - Schatten Krieger
Autoren: Michael Cobley
Vom Netzwerk:
Straße gelangte, die in Sejeends Geschäftsviertel führte. Einen Augenblick blieb er stehen und dachte an den geschnitzten Schrein zurück, den Rugal ihm gezeigt hatte. Er schloss die Augen und flüsterte ein Gebet für seine Mutter und seinen Bruder, bevor er sich in die Stadt begab.

2
    Er versammelte die ganze Welt auf einer Bühne,
Flüsse, Wälder, Städte und Länder,
Und ließ die Helden mit wilden Sprüngen
Von ihren Taten Kunde geben.
    EPITAPH AUF DEM GRABSTEIN EINES POETEN IN ADNAGAUR
    Der Rauch zahlreicher Pfeifen und der Qualm aus dem löchrigen Abzugsrohr des Kamins überzogen den hohen, von gekreuzten Dachbalken gekrönten Schankraum der Gaststätte
Die Vier Winde
mit einem diesigen Schleier. Es war warm und laut von dem Gedränge der abendlichen Gäste. Viele Gäste standen direkt neben dem Tresen, scharten sich in kleinen Gruppen um das lodernde Feuer oder lehnten auf der Empore direkt über dem Haupteingang. Die einzelnen Gespräche vermischten sich zu einem anhaltenden Stimmengewirr, in dem gelegentlich Gelächter aufbrandete oder jemand laut hustete. In einer Ecke erfüllten zwei Musiker auf einer Fidel und einer Flöte die Wünsche der Gäste.
    Das
Vier Winde
lag an einer der größten Kreuzungen im nördlichen Sejeend, zwischen dem Blauhof-Markt und dem Fürst von Westbogen-Theater. Deshalb befanden sich auch viele Vertreter der Zünfte unter seinen Gästen, ebenso wie Bauern und Händler von den Ebenen aus Ost-Khatris, Kutscher aus dem weit entfernten Gronanvel, Pelzhändler aus den schattigen Schluchten des Rukang-Massivs, Fischer und Austernsammler, Weber und Zimmerleute, Soldaten und Gelehrte. Alle wurden von zwei kräftigen Männern scharf beobachtet, die mit Blei beschwerte Knüppel schwangen.
    Und noch eine weitere Gestalt schaute von ihrem Tisch unter der Empore gelegentlich hoch, wenn die Gäste über ihr stampften oder die hölzernen Tragbalken aus einem anderen Grund bedrohlich knarrten. Tashil Akri trug einen langen, schlichten, grünen Umhang über ihrer verschlissenen Reisekleidung und nippte an einem kleinen Bierhumpen. Dabei behielt sie den Eingang im Blick. Die kleine Maske aus roter Baumwolle, die kaum mehr als ihre Augen verdeckte, hatte sie, dem Beispiel anderer Gäste folgend, in ihr zerzaustes, braunes Haar hochgeschoben. Fast niemand in der Schänke trug seine Maske, abgesehen von einigen Studenten und einem großen, hageren Mann an einem Tisch auf der anderen Seite des überfüllten Schankraumes.
    Die schwere Eingangstür öffnete und schloss sich mehrmals knallend, wenn Gäste kamen und gingen. Jedes Mal strömte kühle Luft herein, aber Tashil blieb an ihrem Tisch sitzen. Sie wollte unbedingt Calabos abfangen, sobald er auftauchte. Nach ihrer Rückkehr aus Honjir hatte sie sich eine Weile in dem sicheren Haus in Vanyons Furt aufgehalten, als sich Dardan mittels Gedankensprache bei ihr gemeldet hatte. Er übermittelte eine dringende Nachricht, in der er die Hohen Wächter nach Sejeend bestellte. Da Magramon erst vor wenigen Tagen gestorben war, vermutete Tashil, dass diese Kunde etwas mit dem Tod des Kaisers zu tun hatte.
    Sie nahm einen tiefen Zug aus ihrem Humpen und lehnte sich mit ihrem knarrenden Weidenstuhl an die Wand zurück. Sie spürte noch die Schmerzen in ihren Gliedern. Beinahe unbewusst richtete sie ihre magischen Sinne auf die Baummönche, die am Feuer knieten, und hörte dabei, wie sie murmelnd Gerüchte über Verfolgungen im nördlichen Anghatan und Folterungen anderer Mönche in Casall austauschten. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf einen Mann am Zapfhahn, der einem der Schankmädchen sagte, sie solle ihm den Kunden zeigen, der Schwierigkeiten machte. Sie streifte die kurzen Stoßgebete der Würfelspieler, in denen sie die Götter um Glück baten, bevor sie die Würfel rollen ließen …
    Tashil entspannte sich. Wenn sie weitermachte, war sie vielleicht verlockt, die Niedere Macht einzusetzen. Und das wäre leichtsinnig gewesen.
    »Man kann nie wissen, wer mithört«, hatte ihr alter Lehrer Tregaylis einmal gesagt. »Ein Wächter muss der Versuchung widerstehen, diese Gabe in heiklen Situationen zu benutzen. Wächter zu sein bedeutet auch, solche Situationen zu erkennen …«
    Es bedeutet auf jeden Fall, sich in Geduld zu üben, dachte sie ironisch. Und wenn man die Zeit totschlug, während man auf jemanden wartete, konnte das schnell dazu führen, sich die Langweile mit Lauschen zu vertreiben. Was sie trotz ihrer Vorsätze tat, als sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher