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03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen

Titel: 03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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einrahmte. Die Abenteuer, von denen er träumte, wollte er mit den Händen greifen, nicht mit den Augen.
    „Sind wir jetzt da?“, fragte Josh bei jeder Siedlung.
    Ich konnte mich an den ausladenden Palmen, umwuchert von Schlingpflanzen, hinter denen sich die Kronen der Urwaldriesen zum Himmel emporreckten, nicht satt sehen. Hätte mich nicht der ständige Husten gequält, der zunehmend schlimmer wurde, so hätte ich Josh ein Märchen erzählen wollen. Denn meine Phantasie schlug Purzelbäume: Die zarten Farne, wilden Gräser und alten Baumstämme schienen nur darauf zu warten, sie mit Märchengestalten zu bevölkern. Hätte ich es nicht besser gewusst, ich hätte angenommen, dass in diesem grünen Paradies kein Platz für Menschen war. Doch die Frauen, Kinder und Männer, die am Straßenrand entlangliefen, bewiesen, dass uns keine Fabelfiguren begegnen würden.
    Es wurde Abend, bis Mary uns ans Ziel gebracht hatte: Eine kleine Ortschaft, durch die sich eine schmale, un-geteerte Straße schnurgerade hindurchzog. Zu beiden Seiten standen flache Häuser aus Lehm oder Stein mit großen Gärten. Schmale Wege führten dazwischen in das dichte Grün des Urwalds. In der feuchten Luft hingen die blassblauen Schwaden der Abendfeuer. Ihr würziger Geruch vermischte sich mit der milden Süße wilder Blüten und der modrigen Ausdünstung der feuchten Wälder.
    Mutters Decke lag längst auf der Ablage hinter den Sitzen. Es war sehr warm, das Atmen fiel mir schwer, der Schweiß brach mir aus.
    Wahrscheinlich hatten meine Mamas das Klima ebenso unterschätzt wie ich. Als Josh und ich zuletzt hier gewesen waren, knapp drei Jahre zuvor, war ich in wesentlich besserer Verfassung gewesen. Seitdem war viel passiert. In meinem Leben; in Eziras Reich dagegen schien die Zeit stillzustehen.
    Ein selbst gemaltes Schild mit der Aufschrift herbalist, das an einem langen, flachen Gebäude hing, untertrieb: Dies war mehr als die Praxis eines Kräuterdoktors. In dem langen, schmucklosen Lehmbau befand sich ein kleines Krankenhaus. Davor saßen und standen viele Frauen, Männer und Kinder.
    Die Praxis war schon immer ein Treffpunkt. Hier gab es Neuigkeiten, gute oder schlechte, Hoffnungen wurden geboren und begraben. Für viele Menschen war das Haus Wochen- oder gar monatelang der Mittelpunkt ihres Lebens. Damit war es wie die Kirche oder der Markt eines der Herzen des Dorfes. Wer hier arbeiten durfte, wurde mehr als nur geachtet. Seitdem ich in diesem unscheinbaren Gebäude bei der Geburt eines Kindes assis-tiert, laatte“ war es mein Wunsch gewesen, selbst einen solchen Hort der Hoffnung zu betreuen. Es als Kranenhaus zu bezeichnen, hatte ich mich immer gesträubt.
    Denn für mich stand die Hoffnung im Vordergrund, die den Menschen dort gegeben wurde. Darum war ich glücklich, nachdem Bisi den Begriff Heilstation geprägt hatte. Schließlich wollten wir unsere Patienten heilen und nicht krank entlassen ..
    Sobald unser altes, für die örtlichen Verhältnisse jedoch sehr teures Auto stoppte, wurden wir neugierig betrachtet. Mary grüßte viele Leute mit Namen. Sie kam fast jeden Monat, um für Amaras Praxis unerlässliche Heilpflanzen zu holen.
    „Muss ich aussteigen?“, fragte Tanisha scheu. Ihre dunklen Tücher und der Schleier über ihrem Haar verrieten die Muslimin aus dem Norden. Die Frauen in dieser Gegend bevorzugten bunte Wickelröcke, T-Shirts oder Blusen.
    „Du brauchst keine Angst zu haben“, beruhigte ich Tanisha. „Hier leben keine Muslime. Niemand wird dir Probleme machen.“
    Dies war eine andere Welt. Dass Frauen in jener, aus der wir kamen, wegen moralischer Verfehlungen zu Tode geprügelt werden konnten, war hier unvorstellbar. Doch wie sollte ich das meiner Freundin erklären? Ich baute darauf, dass sie die Friedfertigkeit der Menschen des Regenwalds rasch zu schätzen lernen würde. Mühsam stieg ich aus dem Auto, steif von der langen Fahrt, nach Luft ringend.
    Josh war schon längst draußen und blickte sich interessiert um. „Mama, das kenne ich!“, rief er mir zu. „Hier ist immer Buchi!“
    „Josh! Was bist du groß geworden!“ Da eilte die stämmige Heilerin auch schon auf ihn zu und schloss das Kind in die Arme.
    Ezira und ihre tatkräftige Gefährtin hatten eine klare Aufgabenverteilung: Buchi hielt sich zumeist in der Siedlung auf, wo sie die Praxis führte. Ezira dagegen mied
    den Ort und zog die Abgeschiedenheit des tiefen Urwaldes vor. Dort entstanden jene natürlichen Heilmittel, die Buchi verwendete.
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