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03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen

Titel: 03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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zu versuchen.“
    „Und wenn ich es nicht schaffe?“
    „Dann bist du zumindest in Sicherheit.“
    „Ich weiß nicht“, sagte Tanisha. „Wohin müssten wir denn fahren?“
    Sie stammte aus einer muslimischen Großstadt und war einen gewissen Komfort gewöhnt. Wenn ich ihr direkt ins Gesicht sagte, dass die Urwaldhütten nicht mal
    über Elektrizität verfügten, hätte sie das schockiert. So machte ich ihr das Abenteuer mit den blumigsten Worten, die mein Haussa hergab, schmackhaft.
    „Im Regenwald?“, wiederholte Tanisha erstaunt. „Da ist es doch gefährlich! Sind da nicht Schlangen und wilde Tiere?“
    „Um Schlangen musst du dir keine Sorgen machen. In den drei Jahren meiner Ausbildung habe ich zwei gesehen. Die saßen oben in den Bäumen.
    Du findest schnell heraus, vor welchen Schlangen du dich hüten musst. Die Tiere des Urwalds tun den Menschen nichts, wenn wir ihnen nichts tun.“

    „Drei Jahre dauert die Ausbildung? Kann ich dann wieder hierher zurück?“
    Ich sah das weite, sanft hügelige Land, das sich vor uns erstreckte und das ich so mochte. Wie oft hatte ich hier gesessen und den Sonnenuntergang genossen! Dies war meine Heimat und ich würde sie vermissen. Ich könnte nach wenigen Wochen heimkehren. Wann oder ob überhaupt das schreckliche Urteil gegen Tanisha aufgehoben werden würde, vermochte keine von uns vorauszusagen.
    „Faraa braucht dich. Sie dürfen dich nicht holen. Es stimmt, du wärst lange weg.“ Ginge sie nach Lagos zu Amaras Nachfolgerin, würde sich daran nichts ändern. Dennoch schlug ich Tanisha diese Alternative vor.
    Tanisha dachte angestrengt nach. Nach einer Weile schüttelte sie den Kopf.
    „Dann will ich lieber mit dir und Josh fahren.“ Sie blickte mich aufmerksam an. „Bei Ezira leben keine Muslime?“
    Ich verstand ihre Frage falsch, nahm an, sie sorgte sich um ihre Sicherheit.
    Doch obwohl ihr Glaube sie in so große Bedrängnis gebracht hatte, wollte sie ihn praktiZieren können. Ich bemühte mich, ihre Bedenken zu zerstreuen. Als ich zu Ezira gekommen war, war ich Christin gewesen. Meine Lehrerin hingegen verehrte die oberste irdische Göttin, Mutter Erde. Ich erfuhr rasch, dass ihre Überzeugungen meinen ebenso wenig im Weg standen wie umgekehrt. Drei Jahre sind eine lange Zeit, während der ich Eziras Glauben angenommen hatte. Tanishas Religion, das hatten mir die Auseinandersetzungen schmerzhaft gezeigt, lehrte jedoch, dass Muslime den Umgang mit Andersgläubigen meiden mussten.
    Das erklärte ich Tanisha, und sie fragte: „Kann eine Heilerin denn Muslimin sein?“
    „Es gibt viele muslimische Heilerinnen“, sagte ich und lachte. „Krankheiten nehmen auf den Glauben keine Rücksicht! Durchfälle, Fieber, Frauenleiden
    - all das, wofür meine Gefährtinnen und Patientinnen Hilfe brauchen ..“
    „Du hast Recht“, antwortete Tanisha. Die Anspannung wich aus ihrem Gesicht. „Es wäre schön, wenn wir hier später gemeinsam als Heilerinnen arbeiten könnten.“ Tanisha malte eine Zukunft in den strahlend blauen Himmel. Ich konnte nur hoffen, dass es mehr als ein Traum war.
    Hope hatte uns an unserem idyllischen Plätzchen ausfindig gemacht. Wenig später tauchte auch Josh auf. Bislang wusste er nur, dass wir irgendwann zu Ezira fahren würden. Jetzt war es an der Zeit, meinem Kind von der für den Folgetag geplanten Abreise zu erzählen.
    „Bei Ezira war es schön!“, jubelte Josh. „Mama, dort bin ich doch immer im Fluss geschwommen!“
    Während Josh von den ihn prägenden Jahren seiner Kindheit schwärmte, hörte Tanisha zu. Wir sprachen miteinander Englisch. Sie verstand zwar nicht viel. Aber sie sah die Begeisterung meines Kindes.
    „Josh, geh schon mal zu Oma Bisi und lass dir die Haare schneiden. Ich bleibe noch einen Moment hier sitzen“, bat ich.

    Mein Sohn zog Tanisha hoch und erzählte ihr nun in Haussa, was sie erwartete. Durch den Umgang mit den Nachbarskindern, die eine Zeit lang mit ihm in Magdalenas Schule gegangen waren, beherrschte er die Sprache recht gut. Die junge Mutter band sich Faraa auf den Rücken. Hand in Hand gingen sie und mein Sohn davon.
    Das Gespräch hatte mich viel Kraft gekostet. Ich ließ mich zurücksinken und genoss den Anblick der blühenden Wunderblumen. Vielleicht würde Tanisha selbst eines Tages solch eine Wunderblume sein.
    Eigentlich hatte ich zu ihr sagen wollen: Du kannst meine Nachfolgerin werden. Im letzten Moment hatte ich es nicht getan. Denn plötzlich war mir ein Gedanke gekommen. Wie würde
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