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03 - Feuer der Liebe

03 - Feuer der Liebe

Titel: 03 - Feuer der Liebe
Autoren: Eloisa James
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auf die Szene, die sich ihren Augen bot. Miss Gabrielle
Jerningham saß auf ungehörige Art und Weise auf dem Boden. Wie gewöhnlich war
ihr Haar aus dem Knoten gerutscht und ihr Kleid zerknittert. Mrs Sibbald war
blind gegen die Schönheit von Gabbys schimmerndem, goldbraunem Haar, das sich
wie üblich aus den Nadeln und Kämmen gelöst hatte und zur Hälfte noch hochgesteckt,
zur Hälfte nach unten gerutscht war. Nein — Phoebes Gouvernante sah nur eine
unbändige, junge Dame, deren Haar ihr allgemeines Betragen widerspiegelte.
    »Phoebe.« Ihre Stimme klang wie ein
rostiges Gatter.
    Phoebe rappelte sich hoch und machte
einen Knicks.
    »Miss Jerningham«, fuhr Mrs Sibbald
fort, als habe sie eine störrische Küchenmagd vor sich.
    Gabby hatte sich bereits erhoben und
begrüßte Mrs Sibbald mit einem charmanten Lächeln. »Vergeben Sie uns ...«,
setzte sie an.
    Aber Mrs Sibbald fiel ihr ins Wort.
»Miss Jerningham, ich habe Sie möglicherweise falsch verstanden.« Ihre Haltung
deutete jedoch an, dass sie niemals etwas falsch verstand. »Ich nehme nicht
an, dass Sie gerade von angenagten Knochen gesprochen haben?«
    Die Sibbald hätte wirklich in keinem
unpassenderen Moment hereinkommen können, dachte Gabby.
    »Oh nein«, sagte Gabby
beschwichtigend. »Ich habe Phoebe gerade eine erbauliche Geschichte aus der
Bibel vorgetragen.«
    Mrs Sibbalds Gesicht wurde immer
länger. Was sie gehört hatte, das hatte sie gehört, und wie eine Geschichte aus
der Bibel war es ihr nicht vorgekommen.
    »Die Geschichte von Jonas und dem
Wal«, fügte Gabby hastig hinzu. »Wie Sie sicherlich wissen, ist mein Vater
Missionar, und da fällt es mir sehr leicht, Geschichten aus der Bibel zu erzählen.«
    Der Mund von Mrs Sibbald entspannte
sich ein wenig. »Nun, wenn das so ist, Miss Jerningham«, räumte sie ein. »Ich
muss Sie jedoch bitten, das Kind nicht zu sehr aufzuregen. Aufregung schadet
der Verdauung. Und wo ist Master Kasi Rao Holkar?«
    »Ich glaube, Kasi macht gerade ein
Schläfchen, Mrs Sibbald. Er äußerte den Wunsch, sich zurückzuziehen.«
    »Wenn Sie mir die Bemerkung
verzeihen, Miss Jerningham, aber Sie verzärteln den Jungen. Prinz oder nicht,
eine erbauliche Geschichte aus der Bibel würde ihm gut tun. Schließlich ist er
ein Eingeborener. Gott allein weiß, welchen Einflüssen er als Kind ausgesetzt
war.«
    »Kasi wuchs in meinem Zuhause auf«,
erwiderte Gabby. »Ich versichere Ihnen, dass er ein ebenso guter Christ ist wie
Phoebe.«
    »Das ist ein unpassender Vergleich.
Kein Inder kann je so christlich sein wie ein englisches Kind. Es ist jetzt
Zeit für den Tee. Übrigens, Miss Jerningham, Ihr Haar hat sich wieder gelöst.
Sie sollten sich unverzüglich um Ihre Frisur kümmern.« Mit dieser vernichtenden
Bemerkung verließ Mrs Sibbald die Kabine.
    Gabby seufzte und ließ sich auf
einen Stuhl sinken. Sie bemerkte, dass ihr tatsächlich etliche Locken ins
Gesicht hingen. Dann spürte sie, wie jemand an ihrem Kleid zupfte.
    »Miss Gabby, sie hat mich vergessen.
Meinen Sie, ich sollte sie an mich erinnern?« Große, blaue Augen starrten Gabby
voller Verehrung an.
    Gabby zog die schlaksige Phoebe auf
ihren Schoß. »Ich wette, du bist auf dieser Reise einen halben Kopf
gewachsen«, sagte sie.
    »Ich weiß«, erwiderte Phoebe und
betrachtete missbilligend den Saum ihres Kleides. Sie streckte ein Bein aus.
»Mein Kleid ist so kurz, dass man meine Unterhosen sehen kann!« Ihre Augen
weiteten sich vor Entsetzen.
    »Wenn du in England ankommst,
erhältst du ganz bestimmt ein neues Kleid.«
    »Glauben Sie, sie wird mich mögen?«,
flüsterte Phoebe an Gabbys Schulter.
    »Wer wird dich mögen?«
    »Meine neue Mutter.«
    »Wie könnte sie dich nicht mögen? Du
bist das liebste fünfjährige Mädchen auf dem ganzen Schiff«, sagte Gabby und
rieb ihre Wange an Phoebes weichem Haar. »Du bist sogar das liebste fünfjährige
Mädchen, das je von Indien losgesegelt ist.«
    Phoebe presste sich enger an sie.
»Als ich mich nämlich von meiner verabschiedet habe«
— ein Abschied, der sie viel tiefer verletzt hatte als der vorzeitige Tod ihrer
Eltern, die sie kaum gekannt hatte —, »da hat meine ayah gesagt, dass ich sehr brav sein
muss, damit meine neue Mutter mich mag. Schließlich bringe ich ihr kein Geld
mit.«
    Gabby verfluchte Phoebes ayah im Stillen — und das nicht zum ersten
Mal. »Phoebe«, sagte sie so bestimmt wie möglich, »Geld hat nichts damit zu
tun, ob eine Mutter ihre Kinder liebt oder nicht. Deine Mutter würde
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