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027 - Ruf des Blutes

027 - Ruf des Blutes

Titel: 027 - Ruf des Blutes
Autoren: Timothy Stahl
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vorübergezogen war. Der Regen würde die Roods (Bezeichnung für Reisewege, entstanden aus den englischen Begriffen road und route.) erfahrungsgemäß in reißende Flüsse verwandeln, wenn die Wasser von den Felshängen der Berge ins Flachland herabstürzten. Außerdem müsse er an seinem Fahrzeug verschiedene Dinge richten.
    Das Auftauchen des Mannes war - abgesehen von seinem sonderbaren Gefährt - nichts wirklich Außergewöhnliches. Zwar kamen nicht allzu oft Fremde hierher, aber gelegentlich eben doch. Und Vater wies die Obdachsuchenden nie ab. Er hieß sie allerdings auch nicht im Haus willkommen, sondern wies sie in die Baan, den großen Schuppen zwischen Wohnhaus und Stallungen, in dem Arbeitsgerät und andere Dinge lagerten. Man konnte Fremden gegenüber nie vorsichtig genug sein, lautete Vaters Devise…
    ***
    Auch diesem Mann gestattete er in der Baan zu nächtigen, die auch groß genug war, um seinem Gefährt Platz zu bieten, sodass er es dort instand setzen konnte.
    Als Rhian und Quinlan beim Haus anlangten, standen Vater und der andere Mann noch immer vor dem Gefährt und sprachen miteinander, vielleicht darüber, wo der Fremde herkam und wohin er unterwegs war.
    Rhian blieb stehen, wie gelähmt, und schauderte. Wieder fühlte sie sich angestarrt ! Doch weder Vater noch der Fremde sahen in ihre Richtung.
    Quinlan nickte, als hätte seine Schwester laut gefragt, ob er es auch spüre. Irgendjemand starrte sie von irgendwoher an, mit stechenden, körperlich spürbaren Blicken.
    Doch dieser Jemand selbst war nirgendwo zu sehen…
    Wer oder was es auch war, es stierte den beiden Kindern nach, bis sie im Haus verschwunden waren und Mutter die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.
    Und selbst dann dauerte es noch eine ganze Weile, bis die unheimliche Kälte dieser Blicke vollends von ihnen wich.
    ***
    Februar 2517
    Er nahm das Tuchbündel auf, in dem er Proviant und ein paar andere Kleinigkeiten verstaut hatte, und kletterte vom Karren, der vor sehr langer Zeit - teilweise jedenfalls - ein Ford gewesen war, gebaut Ende der sechziger oder Anfang der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Dann streckte er dem Mann auf dem Bock die Hand entgegen. »Danke. Du hast mir sehr geholfen.«
    Der alte Mann mit dem Gesicht eines Kindes schlug ein. »War mir eine Freude. Du hast mir die Einsamkeit vom Leibe gehalten.« Er ließ die Zügel schnalzen.
    Der Karren ruckte an. »Viel Glück - und die Götter mit dir, Maddrax!«
    »Und mit dir«, sagte Matthew Drax.
    Er blieb inmitten der Kreuzung zweier Überlandstraßen stehen und schaute dem Händler nach, bis der Karren im Flirren und Glitzern der Eiskristalle, die in der Luft schwirrten, verschwunden war. Dann schulterte er sein Bündel und marschierte los in Richtung Süden.
    Die Gletscherfelder und Schneewüsten, die den nördlichen Teil der einstigen United States of America sowie Kanada unter sich begraben hatten, lagen mittlerweile hinter ihm. Die Eiseskälte jedoch hing Matthew Drax an wie eine Klette. Sie war allgegenwärtig und sprach allem Hohn, was er je an Minustemperaturen erlebt hatte.
    Aber er hatte keine Wahl gehabt, sich auf diesen Wahnsinnsmarsch zu begeben - zu Fuß von New York nach Washington! Oder, wie es heute heißen musste: Von Nuu'ork nach Waashton. Durch ein Land, das kaum mehr etwas mit dem gemein hatte, das er noch vor einem Jahr als Heimat kannte. In dem nicht nur das Wetter zu seinem Todfeind mutiert war, sondern tödliche Gefahren in jeder nur denkbaren Form überall lauerten.
    Noch vor einem Jahr…, echote es hinter Matts Stirn. Zwar führte er keinen Kalender mit sich und schnitzte auch keine Kerben in ein Stück Holz, aber er hatte sich ein gesundes Zeitgefühl bewahrt und wusste, dass ziemlich genau ein Jahr vergangen war, seit er in dieser Welt gestrandet war - seit es ihn aus dem Jahr 2012 um gut fünfhundert Jahre in die Zukunft geschleudert hatte! [1] Während die Welt, die er kannte, sozusagen »hinter ihm« von einem gewaltigen Kometen getroffen worden war, der Zivilisationen ausgelöscht und alles Leben auf Erden grundlegend verändert hatte.
    Nein, die Welt war nicht untergegangen an jenem Februartag vor mittlerweile fünf hundertfünf Jahren. Aber ihre Geschichte hatte einen völlig neuen Lauf genommen, als sei eine Weiche umgestellt und der Zug des Lebens auf ein Nebengleis der Evolution umgeleitet worden, das in keiner noch so absurden wissenschaftlichen Hypothese je Erwähnung gefunden hatte.
    Es war ein Wunder, dass er dieses
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