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0261 - Im Bann der Tiermenschen

0261 - Im Bann der Tiermenschen

Titel: 0261 - Im Bann der Tiermenschen
Autoren: Werner Kurt Giesa und Manfred Weinland
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Fragen, dachte Zamorra, die einen einzelnen Menschen eigentlich zur Verzweiflung treiben müßten. Warum schmeiße ich nicht einfach alles hin und ziehe mich aufs Altenteil zurück? Wieviel Frührente kriegt ein zuweilen recht erfolgreicher Dämonenjäger…?
    Er mußte grinsen, als er sich in diese Vorstellung vertiefte, und im nächsten Augenblick waren auch schon die schwermütigen Gedanken verflogen.
    Nichts da! Er war nicht der Typ, der einfach alles hinschmiß und resignierte. Schon gar nicht in einer solchen Situation, wo Nicole und Bill in höchster Gefahr schwebten.
    Frühstücken, dachte er. Ja, verdammt, erstmal frühstücken. Danach sehen wir weiter.
    Er machte sich frisch, zog sich in Windeseile ein paar warme Sachen an, schnallte das Schwert um die Hüfte, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, daß er sich im Zwanzigsten und nicht im Dreizehnten Jahrhundert aufhielt und verließ das Zimmer.
    Er war gespannt, ob ihm Cathy irgendwo über den Weg laufen würde…
    ***
    Vergangenheit
    Eine gespenstische Prozession zog vom Dorf aus zum nahen See, dessen Wasser an den Rändern zum Ufer hin mit einer dünnen, milchig weißen Eisschicht bedeckt war.
    Sturm war aufgekommen. Schnee tobte gegen die dick vermummten Gestalten, die vor und hinter dem leichten Ochsenkarren herliefen. Das Geheule des Windes riß jeden Atemzug und jedes Wort von den Mündern der Männer. Nur eines konnte der Sturm nicht überlagern: das schrille, menschenverhöhnende Gelächter der Gestalt, die halbnackt und schutzlos in einem grob gezimmerten hölzernen Käfig auf der Ladefläche des Karrens transportiert wurde.
    Niemand hatte ihr etwas zum Anziehen gegeben. Sie sah noch genauso aus, wie zu dem Zeitpunkt als Kilroy und die anderen sie im Schuppen hinter Mallorys Haus gefunden hatten.
    Die Hexe - die verfluchte Hexe!
    In Macgillycuddy gab es keinen Richter. Das Gesetz waren die Bürger und der Bürgermeister. Letzterer war nun tot. Und um so kürzer war der Prozeß ausgefallen, bei dem die ängstlichen Dorfbewohner ihr Urteil über die Hexe ausgesprochen hatten.
    Tod!
    »Ersäuft die Besessene, tötet sie, ehe sie noch mehr Unheil über uns bringt!«
    Die verhaßten Rufe hallten Kilroy immer noch in den Ohren, während er mechanisch hinter dem wankenden Karren hertrottete.
    Er hatte ein dickes Tuch vor das Gesicht gebunden, als Schutz gegen die entgegenstiebenden Schneeflocken und winzigen Eiskristalle. Aber auch um seine Gefühle leichter verbergen zu können. Zwei Augenschlitze ließen ihn sehen, ohne von den anderen deutlich gesehen werden zu können. Niemand sollte wissen, wohin er unentwegt starrte. Zu der blutjungen Hexe nämlich, die ihrer beschlossenen Hinrichtung entgegengekarrt wurde.
    Er hatte am eifrigsten dafür plädiert, sie so rasch wie möglich unschädlich zu machen und das Dorf von ihrem Fluch zu befreien. Blanke Hysterie hatte ihn dazu getrieben, denn seine Besonnenheit nach außen hin war nicht mehr als eine gut organisierte Maske. In Wahrheit hatte ihn der Anblick der Hexe im Schuppen hinter Mallorys Haus zutiefst verunsichert.
    Verflucht, und jetzt kamen ihm Zweifel, ob er richtig gehandelt hatte.
    Was, wenn dieses kleine, schwachsinnige Mädchen gar nichts mit den Morden und den Tierverwandlungen zu tun hatte? Vielleicht hatte der wahre Drahtzieher sie nur als Alibi zurückgelassen!
    Beim Verhör war kein vernünftiges Wort aus ihr herauszubekommen gewesen. Niemand im Dorf hatte sie vor diesem Zeitpunkt jemals gesehen, keiner wußte also, woher sie kam.
    Nichts - und niemand - sprach für sie, aber, so gestand sich Kilroy im Nachhinein ein, es sprach auch nichts unbedingt gegen sie!
    Er und das übrige Dorf hatten einen Schuldigen gewollt und ihn auch bekommen.
    Erst jetzt, mit ein wenig Abstand von den Ereignissen, kamen ihm Gewissensbisse. Aber nun war es zu spät.
    Kilroys Blick suchte die Augen des Mädchens, das kaum älter als achtzehn Jahre sein konnte.
    Aber sie war zu weit entfernt und das Schneetreiben zu stark.
    Kilroy sah nur das kleine geweihte Kruzifix, das der Pfarrer ihr um den Hals gehängt hatte. Es hüpfte bei jeder Erschütterung, die den Wagen durchlief, im Tal zwischen ihren üppigen Brüsten auf und ab, und Kilroy fragte sich, ob dieses hölzerne Symbol des Christentums wohl mit ein Grund dafür war, daß die Gefangene ununterbrochen wild um sich gestikulierte, als wollte sie sich von unsichtbaren Angreifern befreien.
    Sie erreichten den See.
    Der Karren stoppte. Drei, vier kräftige Männer
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