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0260 - Ein Totenopfer für Clarissa

0260 - Ein Totenopfer für Clarissa

Titel: 0260 - Ein Totenopfer für Clarissa
Autoren: Jason Dark
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aus.
    Er ließ das Feuerzeug eingeschaltet, als er die Treppe weiter hinunterschritt und den großen Bogen nahm. Wenn er nach links und rechts schaute, so konnte er mehr ahnen als erkennen, wie weitläufig diese unterirdischen Anlagen des alten Klosters waren.
    Aus den flackernden Schatten der Flamme lösten sich Torbogen und auch Säulen, die die gewaltige Decke stützten.
    Die Bewohner dieses Klosters mußten genau gewußt haben, aus welchem Grunde sie die unterirdischen Räume anlegten, und einer ihrer Gründe interessierte den Griechen besonders.
    Eine schweigende Welt umgab ihn. Es war der Atem einer fernen Vergangenheit, der ihm da entgegenwehte und ihn schaudern ließ.
    Wenn er daran dachte, daß er gewissermaßen ein Sakrileg beging, indem er eine magische Stätte entweihte, bekam er doch leichtes Herzklopfen.
    Und weiter ging er.
    Je tiefer er kam, um so dumpfer wurden seine Schritte. Er kam sich vor wie in einem Gefängnis, und so etwas war es schließlich auch, denn hier unten sollte die letzte Überlebende eines Frauenklosters begraben sein.
    Clarissa, die Nonne!
    Ihr galt all sein Streben, sein Suchen, denn man sagte ihr nach, daß sie unwahrscheinliche Fähigkeiten habe. All dies hatte er der uralten Schrift entnommen.
    Clarissa – ein menschliches Wesen, aber mit einem Menschen nicht zu vergleichen.
    Noch zwei Stufen lagen vor ihm. Auch die nahm er und atmete auf, als er harten Boden unter seinen Füßen spürte, denn Fallen hatte es auf den Stufen nicht gegeben.
    Für einen Augenblick blieb er stehen, streckte den Arm aus und leuchtete im Kreis.
    Zuerst sah er nichts, nur die sich bewegenden, unheimlichen Schatten, die ihn umgaben wie wilde Fledermäuse. Er hatte den Arm einfach zu hoch gehalten, senkte ihn und führte seine Hand etwa in Hüfthöhe kreisförmig weiter.
    Auf einmal erschrak er.
    Da lag sie.
    Clarissa, die Nonne!
    Als wäre sie eingeschlafen, so hatte sie sich auf das alte Lager gebettet. Sie lag auf dem Rücken. Engelsgleich wirkte das Gesicht.
    Umrahmt wurde es von langen Haaren, die wie Lack glänzten. Die Augen hielt sie geschlossen, und sie trug ein langes, hochgeschlossenes Kleid aus hellblauem Stoff, der an Brokat erinnerte. Jedenfalls stufte Taridis ihn als sehr kostbar ein.
    Die Hände lagen auf dem Bauch der Frau. Sie waren nicht gefaltet, sondern berührten sich nur mit den Knöcheln.
    Costa Taridis ging noch einen Schritt vor und hielt das Feuerzeug so, daß die Flamme über der liegenden Gestalt leuchtete. Erst jetzt wurde etwas aus der Dunkelheit gerissen, das den Griechen so sehr erschreckte, als wäre ihm ein Eiszapfen ins Herz gefahren.
    Am Kopfende und den Abschluß des Lagers bildend, befand sich ein unheimliches Wesen – ein Wolf.
    Jedenfalls sah er im ersten Augenblick so aus. Er erinnerte auch an die Wölfe aus Holz, die auf den hohen Treppenpfosten standen, doch dieser hier bestand nicht aus dem Material. Ohne es berührt zu haben, wußte der Grieche, daß er einen fellbedeckten Körper vor sich sah, demnach war dieser Wolf keine Nachbildung, sondern konnte durchaus ein echtes Tier sein.
    Schaurig war er anzusehen. Im Widerschein der kleinen Flamme jedoch wirkte er noch schrecklicher.
    Sein Maul stand offen. Taridis konnte die Reißzähne sehen.
    Versetzt voneinander wuchsen sie aus den Kiefern. Wenn der Wolf das Maul zuklappte, würden sich die Reißzähne nicht berühren.
    Einen Hals besaß er nicht. Der abstoßende Schädel wuchs auf einer breiten Schulter, die links und rechts in seltsam gekrümmten, steifen Armen auslief, deren Tatzen wiederum auf das Lager der Frau drückten.
    Dieses in der Bewegung erstarrte Tier flößte dem Mann eine grenzenlose Furcht ein. Es sah aus, als würde es jeden Augenblick aus einem tiefen Schlaf erwachen. Schon jetzt waren die starren Blicke der seltsam dunklen Augen voll auf den Griechen gerichtet, und Taridis hatte das Gefühl, als würde der Blick seine Seele treffen.
    Er schüttelte sich.
    Wie anders war doch das Gesicht der Nonne. Engelsgleich, marmorhaft, sogar rötlich schimmernde Lippen sah er, und Taridis lächelte, als er eine Kerze aus seiner Tasche holte, die Flamme an den Docht hielt und wartete, bis dieser Feuer gefangen hatte.
    Er ließ etwas Talg auf den Boden tropfen. Dann stellte er das Ende der Kerze hinein und nickte, weil er sich mit dem Licht zufrieden gab.
    Die Kerze gab einen warmen Schimmer ab. Er paßte irgendwie in diese unterirdische Höhle und füllte sie mit seinem geheimnisvollen Widerschein
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