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0253 - Bankraub kurz nach Mitternacht

0253 - Bankraub kurz nach Mitternacht

Titel: 0253 - Bankraub kurz nach Mitternacht
Autoren: Bankraub kurz nach Mitternacht
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ich wusste nicht, was ich tun sollte.
    Hinter meinem Rücken hörte ich den Verwundeten stöhnen. Ich warf ihm einen kurzen Blick zu, wandte aber sofort wieder den Kopf in Richtung Tür. Solange ich hier allein war, konnte ich mich nicht um den Verwundeten kümmern, weil ich der Tür damit hätte den Rücken zuwenden müssen.
    In solchen Augenblicken werden ein paar Sekunden eine verdammt lange Zeit. Ich überlegte krampfhaft, was zu tun wäre, als mir die Gangster selber die Entscheidung abnahmen. Und alles nur wegen der Reisetasche, die jetzt mutterseelenallein auf dem Gehsteig stand.
    Ich hörte wie die Tür neben mir mit einem melodischen Gebimmel nach innen aufging. Meine Pistole war schussbereit, und die Mündung war genau einen Zentimeter von der Ecke entfernt. Aber es kam niemand heraus, und eine ganze Weile rührte sich auch sonst nichts weiter.
    Plötzlich hallte eine gellende Stimme aus dem Innern des Geschäftes: »He, ihr da draußen!«
    Ich wartete einen Augenblick, bis klar war, dass sie eine Antwort erwarteten. Also rief ich zurück: »Kommt raus! Hände hoch und hübsch langsam! Ihr habt keine Chance! Das ganze Gebäude ist umstellt!«
    Das war nichts als Bluff.
    »Wir kommen schon noch! Das hat Zeit!«, erwiderte die Stimme. »Vorläufig schicken wir erstmal eine Puppe raus! Aber bedenkt, dass bei jedem Schritt, den die Puppe macht, vier Kanonen auf sie gerichtet sind!«
    Von Phil war nichts zu sehen. Etwa sechs Schritte links von mir hatte sich eine große Menschenmenge angesammelt. Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder der Tür zu und lauschte.
    Von drinnen kamen ein paar undeutliche Geräusche. Etwas polterte, jemand sprach leise auf jemanden ein, ohne dass ich die Worte verstehen konnte. Gleich darauf waren die Schritte von hochhackigen Damenschuhen zu hören, die sich auf die Tür zu bewegte. Ich presste die Lippen aufeinander und nahm mir vor, mich nicht von einer Frau reinlegen zu lassen.
    Die Schritte stöckelten näher und näher. Dann erschien eine junge Frau auf der Bildfläche, die unter normalen Umständen eine Augenweide gewesen wäre. Sie hatte rassige Beine und war auch sonst ein bemerkenswertes Persönchen. Im Augenblick war sie blass.
    Da sie ein graues, ziemlich eng anliegendes Kostüm trug, hätte man sie für eine Kundin des Geschäftes halten können. Dagegen sprach aber die Anstecknadel mit dem Schild, auf dem ihr Name stand. Sie musste also eine Verkäuferin des Geschäftes sein. Ihre Arme hielt sie hoch, sodass die Hände ungefähr in Schulterhöhe waren.
    Als sie an mir vorbei war, wusste ich auch, was sie wollte: die Reisetasche! Sie stand noch immer verlassen und einsam mitten auf dem leeren Gehsteig.
    In der Tasche musste sich alles das befinden, was man in einem Juweliergeschäft gegen Bezahlung kriegen kann. Und natürlich hatten es die Gangster darauf abgesehen, die Tasche wieder in ihren Besitz zu bringen. Dass sie dabei eine völlig unschuldige Person losschickten, um die Kastanien aus dem Feuer zu holen, entsprach der Mentalität von Gangstern.
    Die Frau erreichte die Tasche und bückte sich. Sie griff mit beiden Händen zu und hob sie an den beiden Tragriemen empor. Die Tasche musste ziemlich schwer sein. Die Verkäuferin drehte sich um.
    Ich holte tief Luft, ließ die Pistole in meine Manteltasche rutschen und mir war auf einmal völlig klar, was ich zu tun hatte.
    Natürlich hatte ich die Frau gesehen. Sie warf mir einen Hilfe suchenden Blick zu, als sie die Tasche hochhob. Ich legte den Zeigefinger an die Lippen, zum Zeichen, dass sie nichts sagen sollte. Sie schien zu verstehen, denn sie wandte gleich darauf den Blick von mir ab und stöckelte mit der schweren Tasche heran.
    Ich spürte, wie mir auf den Innenflächen der Hände der Schweiß ausbrach. Wenn das Mädchen nicht sofort in meinem Sinne reagierte, wenn ich sie aus irgendeinem dummen Zufall nicht richtig erwischte, wenn die Gangster schneller als schnell waren - wenn, wenn, wenn…
    Die junge Frau kam näher. Sie ging weit zurückgeneigt, um das von ihr baumelnde Gewicht der schweren Tasche auszugleichen. Sie starrte ausdruckslos vor sich hin. Der Name auf dem Schild, das auf dem linken Jackenaufschlag ihres grauen Kostüms festgesteckt war, lautete Miss Morgery. Ich nahm es wahr, ohne dass es mir richtig bewusst wurde. Alle meine Sinne hatten sich auf die eine entscheidende Sekunde konzentriert, wenn sie genau einen Schritt vor der Hauswand war, vor der Türschwelle…
    Und dann war es so weit.
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