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0250 - Pandoras Botschaft

0250 - Pandoras Botschaft

Titel: 0250 - Pandoras Botschaft
Autoren: Jason Dark
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Lehm aus dem Erdinnern hochgeschleudert, stieg in die Wolken, fiel wieder zurück, um erneut in den Kreislauf zu geraten.
    Und doch blieb soviel Lehm an den Rändern des Kraters zurück, wie die einsame Gestalt benötigte. Sie hatte Zeit, wartete stundenlang, und irgendwann - der Morgen graute bereits - schwächte das Unwetter ab. Es blieb allerdings noch dunkel, was der einsamen Gestalt, die die halbe Nacht über gewartet hatte, sehr recht war. Sie stieg auf einen der Lehmhügel hinauf.
    Schattenhaft wirkte ihr Rücken, dann wühlten Hände in der feuchten Erde und schleuderten den Lehm in die Höhe. Das Lachen, das aus dem nicht zu erkennenden Mund der Gestalt drang, hörte sich triumphierend an, und der Einsame nahm den feuchten, aus den Tiefen der Erde stammenden Lehm, häufte ihn aufeinander und formte daraus eine Figur. Drei große Klumpen legte er übereinander, drückte sie fest, wobei der oberste Klumpen der kleinste war, der mittlere der größte und der letzte wieder ein wenig abfiel.
    Der Einsame trat dicht an sein noch sehr unvollkommen wirkendes Werk heran. Er schaute für einen Moment auf die drei Teile, bevor plötzlich seltsam verschwommen wirkende Hände erschienen, die sich an der unfertigen Lehmfigur zu schaffen machten. Es begann oben.
    Ein Gesicht entstand. Da wurden die Augen in die Masse gedrückt, eine Nase geformt, Ohren modelliert, ein Mund, das Kinn und auch eine hohe Stirn herausgearbeitet.
    All dies geschah mit einer Sorgfalt, wie sie nur ein Künstler aufbringen konnte, der sich mit seinem Werk identifizierte. Es wurde ein Gesicht, und ein unsichtbarer Beobachter hätte schon die Züge einer Frau erkannt.
    Sacht wie die Finger eines Masseurs glitten die Hände weiter und formten den Hals der Frau. Geschwungen wurde er, erhielt eine nahezu perfekte Linienführung, und ebenso perfekt wurden die Schultern, die Arme und der Rumpf.
    Der Göttervater Zeus hatte befohlen, eine sehr schöne Frau zu modellieren. Diesen Befehl befolgte der Einsame, denn Schönheit und Grauen sollten eine Verbindung eingehen. Geschickt arbeitete der Künstler weiter. Innerhalb kurzer Zeit war ein prächtiger Frauenkörper entstanden, der allerdings noch lehmbraun schimmerte und erst die richtige Farbe der Haut erhalten mußte.
    Der einsame Künstler kümmerte sich um jedes Fingerglied. Er schuf sogar Hautfalten und gab sich besondere Mühe bei den Brüsten der Frau. Sie sollten, zusammen mit dem übrigen Körper, die Männer in ihren Bann schlagen, um sie von dem anschließenden Schrecken abzulenken.
    Der Morgen graute weiter. Im Osten wurde es hell. Ein schmaler gelber Streifen schob sich ein wenig schüchtern über den Horizont, ebenso schüchtern wie der erste Sonnenstrahl, der dann über das Meer streifte und auf dem Wasser in einer grellen Kaskade explodierte, so daß sein Schein die Wellen mit einem goldenen Schleier belegte. Der Einsame drehte sich um.
    Wenn die Sonne aus den Fluten stieg und das Meer zu flüssigem Gold werden ließ, würde sich die Schönheit der Natur auch auf die Frau übertragen.
    So hatte der große Göttervater gesprochen, und so empfand der Einsame es auch.
    Die Sonne stieg höher. Es war nicht nur sie allein, die diese immense Leuchtkraft aufbrachte. Etwas anderes stand hinter ihr.
    Es blitzte hell und silbrig, wahre Lichtkaskaden fluteten heran, und plötzlich stand die Insel eingehüllt in eine strahlende Aura. Raum und Zeit schienen zu verschwinden. Sie hatten ihre Gültigkeit verloren, wenn Zeus, der Göttervater, direkt in das Geschehen auf der Erde eingriff.
    Das Eiland im Meer schien zu schweben, an einem Band zu hängen und einzutauchen in die gewaltige Glocke aus Licht. Es verging Zeit, aber sie war nicht zu spüren. Wo der Geist regiert, ist die Zeit unwichtig.
    Und der Geist handelte.
    Er vollendete und vervollkommnete das, was der einsame Künstler mit seinen Händen aus dem Lehm der Erde geschaffen hatte.
    Aus dem Lehm wurde eine Haut. Die Hand der Götter sorgte dafür, daß diese Umwandlung geschah. Und die Frau überstrahlte in ihrer Schönheit selbst das Licht der Sonne. Zeus hatte das Werk vollendet.
    Eine neue Legende war entstanden.
    Pandora!
    ***
    Der monotone Choral der Mönche hallte durch das Kirchenschiff. Das Echo des Gesangs geisterte gegen die Wände und kam verstärkt zurück. Es fuhr wie ein Windhauch über die gebeugten Rücken der betenden Kuttenträger, die sich ganz ihrer Andacht hingaben.
    In diesem einsamen Kloster lebten, beteten und arbeiteten
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