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025 - New York, New York!

025 - New York, New York!

Titel: 025 - New York, New York!
Autoren: Claudia Kern
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ausging, denn er verkrallte sich an Matts Bein.
    Der hob seine blutigen Hände, um den Soldaten zu zeigen, dass er keinen Widerstand leisten würde.
    Wie auf ein lautloses Kommando drehten die Uniformierten die Lanzen in ihren Händen, so dass die stumpfen Enden auf Matt zeigten. Mit langen Schritten gingen sie auf ihn zu.
    »Wollt ihr wirklich einen wehrlosen Gefangenen zusammenschlagen?«, versuchte Matt an ihr Ehrgefühl zu appellieren. »Das ist aber nicht die feine englische…«
    Den ersten Schlag spürte Matt noch. Dann nichts mehr.
    ***
    Die Wesen, die einmal Jochim und Tuman gewesen waren, schoben sich durch das Loch in der Decke. Holzsplitter rissen ihnen die Haut auf und bohrten sich in ihre Beine, doch ungerührt krochen die beiden weiter.
    Der Pestkerker blieb hinter ihnen zurück. Vor ihnen lag die gewundene Metalltreppe, die sich hinauf in die Statue schraubte.
    Tageslicht fiel von oben in den Bau. Dort auf der hölzernen Plattform standen einige Menschen, die gedämpft miteinander sprachen. Wachen.
    Das Licht kam durch die fast kreisrunde Öffnung in der Wandung der Statue.
    Jochim und Tuman krallten ihre blutigen Finger in das Holz und beobachteten. Das Namenlose in ihnen spürte eine gewisse Befriedigung darüber, dass man sie noch nicht entdeckt hatte. Die Menschen bewegten sich über ihnen, ohne zu ahnen, wie nah sich der Feind befand.
    Feind. Dies war eines der Worte, die das Namenlose gelernt hatte. Es hatte nie zuvor auf diese Art über andere nachgedacht. Feind, so stellte es fest, bezeichnete alle, die das Volk bedrohten. Es war gut, ein Wort dafür zu haben, gut, es den anderen mitzuteilen.
    Noch war das Volk nicht stark genug, um sich dem Feind offen zu stellen, aber es lernte.
    Neugierig verfolgten die beiden Befallenen, wie weitere Menschen, die Waffen trugen, durch die Öffnung kamen. Zwei von ihnen trugen einen dritten zwischen sich, dessen Füße über den Boden schleiften, als wäre er tot. Mit der Hilfe der beiden Wachen zerrten sie ihn die Wendeltreppe hinauf. Ein wohlhabend gekleideter schwarzer Mann folgte ihnen. Er verzog angewidert das Gesicht und atmete durch ein parfümiertes seidenes Schnupftuch, das er sich vor die Nase hielt. Vermutlich wusste er von dem Pestkerker tief unter im Sockel der Figur.
    Das Namenlose kannte den Menschen, der bewusstlos die Treppe hinauf geschleift wurde, und wusste, dass sein Name Matt war. Er hatte dem Volk geholfen, die Wärme zu besiegen.
    Diese Aufgabe war erfüllt. Das Volk hatte für den Menschen keine Verwendung mehr.
    Jochims Blicke wandten sich ohne seinen Willen zum Tor. Es war weit geöffnet. Flucht, dachte das Namenlose.
    ***
    »Hier werden sie hängen, bis die Vögel ihnen das faulige Fleisch von den Knochen gefressen haben! Kein Feuer wird ihren Geist reinigen. Sie werden eingehen in die tiefste Finsternis, verloren im Grauen auf ewig…«
    Stöhnend schlug Matt die Augen auf. Unmittelbar hinter ihm brüllte sich der Maa'or die Seele aus dem Leib. Jedes Wort war wie ein Hammerschlag gegen Matts schmerzenden Kopf.
    Die beiden Soldaten, die ihn an den Armen aufrecht hielten, sahen, dass er zu sich gekommen war, und ließen los.
    Haltlos sackte Matt zusammen. Er wollte sich mit den Händen abstützen, aber die hatte man ihm auf dem Rücken zusammen gebunden. Einer der Soldaten zog ihn wieder hoch und er spürte, wie die Kraft langsam in seine Beine zurückkehrte.
    Erst jetzt bemerkte er, dass er in der von Fenstern durchbrochenen Krone der Freiheitsstatue stand. Um ihn herum hatten sich Soldaten und Beamte versammelt, die ihm feindselige Blicke zuwarfen.
    Hinter ihm tobte der Maa'or weiter: »Der Barbar wird hängen! Hängen! HÄNGEN!«
    Matt hatte das ungute Gefühl, dass er über ihn sprach.
    Auf dem Eis vor der Statue tobte eine Menschenmenge. Ihre Schreie waren wie ein Echo auf die Worte des Bürgermeisters.
    Eine raue Schlinge legte sich plötzlich um Matts Hals, wurde zugezogen, bis er kaum noch Luft bekam. Ein Mann, der eine schwarze Kapuze trug, zerrte ihn zu einem der leeren Fensterhöhlen, die nach Osten ging. Als Matt hinaus blickte, sah er, dass das Seil durch eine Metallöse an einem der Kronenzacken verlief. Ein improvisierter Galgen!
    Gefangen und hingerichtet in der Freiheitsstatue!, schoss es ihm durch den Kopf. Wenn das nicht Ironie ist…
    Matts Augen begannen zu tränen; nicht aus Verzweiflung, sondern wegen des grellen Lichts, das von der Eisfläche reflektiert wurde. Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen
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