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0231 - Wenn es Nacht wird in Soho

0231 - Wenn es Nacht wird in Soho

Titel: 0231 - Wenn es Nacht wird in Soho
Autoren: Werner Kurt Giesa und Manfred Weinland
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die Bobbys wieder auftauchen und mich verscheuchen!«
    Kerr setzte sich in Bewegung.
    Nach einer Weile fand er sich wieder zurecht, aber das erklärte immer noch nicht, wie er nach hier gekommen war. Er schlenderte zur für dieses Gebiet zuständigen Polizeiwache. Man kannte ihn.
    »Wenn die Streife gleich loszieht«, bat Kerr, »und findet auf der Bank am Hauptweg, rund zweihundert Meter weit im Park, einen schlafenden Penner, dann jagt ihn ausnahmsweise nicht weg, sondern laßt ihn schlafen, bis er von allein wach wird und weiterzieht! Und gebt ihm das hier, mit einem schönen Gruß von seinem nächtlichen Besucher.« Er stibitzte vom Schreibtisch des Wachhabenden einen Briefumschlag, schob eine Zehn-Pfund-Note hinein und legte sie auf die Barriere. »All right?«
    »All right, Inspektor«, versicherte der Sergeant. »Ein V-Mann?«
    Kerr schüttelte den Kopf. »Nur ein Freund«, sagte er. »Nur…«
    Langsam schritt er davon, in den frühen Morgen hinaus. Wolken zogen auf, und mit ihnen kam der Frühnebel. Die Sterne waren nicht mehr zu sehen.
    Irgendwann kam ein Taxi, und Kerr ließ sich nach Hause fahren.
    Aber ist das wirklich mein Zuhause? fragte er sich, Wer bin ich?
    ***
    In den Morgenstunden landete die Maschine aus Lyon auf dem Heathrow Airport vor den Toren Londons. Etwas verloren standen Zamorra und Nicole am Ausgang des Terminals und sahen sich nach einem fahrbaren Untersatz um. Zamorra klopfte seine Taschen ab; er hatte Glück, die richtige Geldbörse eingepackt zu haben. Da er sehr häufig im Ausland unterwegs war, hatte er für die wichtigsten Reiseländer immer einen gewissen Bargeldvorrat greifbar, damit er nicht erst umständlich Wechselbüros aufsuchen mußte - denn überall kam man auch im Jahr 1983 mit Scheck und Kreditkarte nicht vorwärts.
    Eine Stunde später befanden sie sich im leihweisen Besitz eines großen Mercedes, den Nicole der Farbe wegen ausgesucht hatte - er paßte zu ihrem Hosenanzug.
    »Was tun wir jetzt?« fragte sie und klemmte sich hinter das Lenkrad der schweren Limousine. »Fahren wir zum New Scotland Yard und erkundigen uns nach Kerr?«
    Zamorra sah auf die Uhr. »Glaubst du im Emst, daß da im Moment viel zu holen ist? Fünf Uhr morgens! Komm, wir fahren ins Westend und suchen erst mal in seiner Privatbehausung. Vielleicht weiß Babs, wo er zuletzt steckte. Das klappt besser, als wenn irgend jemand im Yard in den Akten stöbert.«
    Babs war nicht nur Kerrs Sekretärin, sondern auch seine Lebensgefährtin in ähnlichem Maße, wie Nicole es bei Zamorra war. Ihr gehörte ein kleines Reihenhaus, in dem sie mit Kerr wohnte.
    Der weiße Mercedes huschte durch Londons Straßen. Der Nebel legte sich schwer über den Boden, und der Asphalt glänzte stellenweise naß. Vor einer Stunde, als das Flugzeug auf dem Heathrow Airport landete, war der Himmel noch klar. Inzwischen war das Wetter typisch britisch.
    Nach für Londoner Nebel-Verhältnisse relativ kurzer Zeit erreichten sie den Stadtteil, in welchem Babs und Kerr heimisch waren, und tasteten sich in die richtige Straße vor. Schließlich brachte Nicole den großen Wagen vor dem Reihenhaus zum Stehen.
    »Schau mal«, sagte sie verwundert. »Da brennt Licht.«
    Zamorra sah wieder auf die Uhr. »Unfaßbar! Um diese Zeit? Sollte Babs unter die Frühaufsteher gegangen sein? Sie braucht doch erst in einigen Stunden ins Yard-Büro zum Dienst…«
    »Oder sie wacht die Nacht durch«, behauptete Nicole, die selbst im Flugzeug eine Mütze Schlaf geschöpft hatte. »Aus Sorge um Kerr! Komm, wir klingeln an. Wenn sie wach ist, brauchen wir uns wenigstens keine Gewissensbisse zu machen.«
    Zamorra nickte nur und stieg aus. Mit einem satten, weichen Klacken fiel die Autotür ins Schloß. Der Parapsychologe ging durch das kleine Vorgärtchen auf das Haus zu.
    In der Tat, es brannte Licht! Und hinter den Fenstervorhängen bewegten sich Schatten!
    Babs war also nicht allein.
    »Kerr?« murmelte Zamorra verblüfft. Wen sonst als Kerr sollte Barbara Crawford in ihrem Haus haben? Aber was war dann mit Kerr geschehen? Warum vor Stunden der telepathische Notschrei?
    Oder hatte er aus eigener Kraft mit der unbekannten Gefahr fertig werden können und war jetzt zurückgekehrt?
    Auch Nicole war die Bewegung hinter den Vorhängen aufgefallen. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn und sog scharf die naßkalte Luft ein. »Seltsam…«
    Zamorra erklärte ihr seinen Gedankengang. Dann legte er den Zeigefinger auf den Klingelknopf und gab Dauerfeuer.
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