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022

Titel: 022
Autoren: Flucht vor dem Teufel
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machte sie vor Vergnügen erröten. Nickend löste sie die Emaillebrosche, die sie an der Schulter befestigt trug. Sie beugte sich so weit vor, wie sie das wagen konnte, während Henry sie um die Taille festhielt, und versuchte, die Brosche in den rauhen Wollstoff von Rogers Überrock zu stecken..
    Nachdem sie das geschafft hatte, küsste sie feierlich den Bruder. „Möge mein Unterpfand dir heute viel Glück bringen, Bruder."
    Prinz Henry lenkte sein Pferd fort. Während man die Straße zur Burg hinaufzureiten begann, schaute Eleanor gespannt zu, wie Walter de Clare begann, sich seiner Rüstung und seines Waffenrocks zu entledigen.
    „Hab keine Angst um ihn, Demoiselle", beruhigte der Prinz sie. „Wiewohl ich sehr bezweifele, dass dein Bruder Belesme überlegen sein wird - ich bezweifele, dass irgendjemand das sein kann -, kannst du dich doch darauf verlassen, dass mein Vater nicht gestatten wird, dass der Junge zu Schaden kommt."
    In diesem Moment begriff Eleanor die ganze Auswirkung dieses Tagesereignisses und versank in Schweigen. Für Roger war es eine große Ehre, einen Platz im Haushalt Williams des Eroberers zu bekommen. Für sie selbst bedeutete das, den Menschen, der ihr am nächsten stand, zu verlieren. Sie war bemüht, sich ganz auf den Gedanken zu konzentrieren, es sei zumindest eine Möglichkeit für Roger, seinen Weg in einer Welt zu gehen, die ihm ein Erbe versagte. Außerdem wäre er mit sieben oder acht Jahren bei einem Herrn in den Pagendienst getreten, wenn er der legitime Sohn eines Edlen gewesen wäre. Wenigstens hatte sie ihn sehr viel länger um sich gehabt, als die meisten Schwestern ihre Brüder um sich hatten.
    „Warum bist du so still, Demoiselle? Da unten warst du so gesprächig."
    „Ich . . . ich werde meinen Bruder vermissen", brachte sie heraus.
    „Meine Schwestern haben es kaum erwarten können, mich loszuwerden", erwiderte Henry beiläufig, „und ich hatte ihnen gegenüber keine sehr viel andere Einstellung.
    Meine Schwester Adela hat das Wesen einer Viper."
    Eleanor erwiderte unüberlegt: „Für dich kann das nicht dasselbe sein, Prinz Henry.
    Dein Vater hasst dich nicht, weil du ein Mädchen bist, und ich bin sicher, dass deine Mutter dich auch nicht gehasst hat. Meine Eltern haben mir nie verziehen, dass ich etwas bin, wofür ich nichts kann. Ich nehme an, das ist der Grund, warum Roger und ich uns immer so viel bedeuteten. Wir beide werden unserer Geburt wegen verachtet. Nur er, Dame Glynis und meine alte Kinderfrau mögen mich. Und ich liebe ihn über alles." Ihre Schultern begannen leicht zu beben.
    „Du weinst zu früh, Demoiselle. Ich verspreche dir, dein Bruder wird oft genug für einen Besuch zurückkommen." Seine Worte schienen Eleanors Ängste nur noch zu verstärken, und das veranlasste Henry, das Thema zu wechseln. „Selbst wenn dein Schicksal dir im Moment unglücklich erscheint, wird es nicht lange dauern, bis du mit einem edlen Herrn verlobt bist, der dich liebt." Er bewegte den Arm und drückte Eleanor an sich. „Nein, süße Maid, niemand kann dich ansehen und dich nicht lieben."
    „Du bist freundlich", schniefte sie, „denn du kennst mich nicht. Mein Ehegemahl wird mich wahrscheinlich schlagen, weil ich nicht nähen kann. Und ich habe nicht die mindesten Fähigkeiten darin, einen Haushalt zu führen."
    Ihre Unerfahrenheit erzeugte das heftige Verlangen, sie zu beschützen und zu trösten. „Glaub mir", erwiderte Henry, „wenn ich sage, dass solche Fähigkeiten lobenswert sind, aber sehr wenig mit der Liebe eines Mannes für seine Frau zu tun haben. Ein Mann kann dafür zahlen, dass man die Näharbeit für ihn macht, und er kann sich einen Verwalter und einen Majordomus nehmen, die seinen Haushalt führen. Andererseits ist es selten, dass man durch einen Ehevertrag eine schöne Gattin bekommt."
    „Sire ..."
    „Demoiselle, du darfst mich Henry nennen. Hör mal, ich bin nicht viel älter als dein Bruder. Können wir nicht Freunde sein?"
    Sie drehte sich halb um, um Henry ansehen zu können. Als sie ihn betrachtete, war die Freundlichkeit in seiner Miene unverkennbar. Im Gegensatz zu seinem Vater war er nicht dunkelhaarig. Sein offenes Gesicht wurde von hellbraunem Haar umrahmt, das in der Stirn auf normannische Art gerade geschnitten war, und seine Augen waren, obwohl sie braun waren, keineswegs so dunkel wie die des alten Eroberers.
    Aber es waren sein gewinnendes Lächeln und seine sanfte Art, die ihr den Gedanken einflößten, dass er gewiss der
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