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0211 - Die Nacht in der Schreckensburg

0211 - Die Nacht in der Schreckensburg

Titel: 0211 - Die Nacht in der Schreckensburg
Autoren: Werner Kurt Giesa und Manfred Weinland
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wo die Zigeunerin gesessen hatte, war das Holz etwas wärmer, deutlicher Beweis, daß sie tatsächlich hier gewesen war.
    Unwillkürlich griff Zamorras Hand zu dem Amulett, das unter seinem halb geöffneten Hemd vor seiner Brust hing. Doch die silbrige Zauberscheibe zeigte keine Reaktion.
    Kein Dämonenspuk!
    Und gerade deshalb ging Zamorra die Warnung der Wahrsagerin nahe. Blut, Staub und eine schwarzhaarige Frau! Sollte Nicole in Gefahr sein, von einem Vampir angefallen zu werden?
    Er legte seinen Arm um ihre Taille, spürte unter dem dünnen Stoff des Fledermauscapes ihre warme Haut und zog sie mit sich, dem Hotel entgegen, in dem sie sich einquartiert hatten. Unwillkürlich schritten sie schneller aus. Es war fast wie eine Flucht.
    Daran, daß es auch noch andere Frauen mit langem schwarzen Haar gab, dachte Zamorra in diesem Moment noch nicht…
    ***
    Angus MacRedy schaltete mit einem heftigen Hieb auf den Schalter den Fernseher aus, den einzigen Luxus, den seine Familie sich leisten konnte, weil keiner in Scardroy Lodge reich war und die MacRedys schon gar nicht. Seit zwei Monaten war Angus arbeitslos.
    Die kleine Fabrik in der benachbarten Stadt war geschlossen worden, Folge der Wirtschaftskrise, in der sich Großbritannien schon seit langer Zeit befand. Die Schließung eines Leyland-Werkes hatte zur Folge gehabt, daß auch die kleine Zulieferfirma, in der MacRedy gearbeitet hatte, keine Aufträge mehr erhielt. Und wer stellte schon einen Mann wieder ein, der die Fünfzig bereits überschritten hatte?
    Das Jungvolk fand da eher wieder Arbeit.
    Mürrisch leerte Angus die Flasche Bier endgültig, stellte sie auf den Tisch und erhob sich. Wo war Mary abgeblieben, seine Frau?
    Die hatte sich doch schon vor zehn Minuten erhoben, weil sie das Fernsehprogramm nicht mehr ausstehen konnte. Für die unverschämt hohen Gebühren war die Gegenleistung miserabel, fand Angus.
    Er verließ die kleine Wohnküche und trat auf den Korridor hinaus.
    Da lehnte Mary neben der offenstehenden Tür des Zimmers, in dem ihre gemeinsame Tochter zu später Nachtstunde zu schlafen pflegte. Und zwar allein, weil Angus sie wie seinen Augapfel behütete und nicht zuließ, daß ein Boy dem zarten Jungfräulein zu nahe trat.
    Mary war totenbleich.
    »Was ist denn los?« wollte Angus McRedy wissen.
    »Reena«, sagte Mary stockend. »Sie…«
    Angus ahnte plötzlich Schlimmes. Er schob sich an seiner Frau vorbei in das Zimmer. Aber er brauchte den Lichtschalter nicht zu betätigen. Er sah auch so, was los war, denn durch das Fenster fiel genug Mondlicht.
    Das Bett war benutzt worden, aber die Decke lag auf dem Fußboden. Säuberlich zusammengefaltet die Kleidung Reenas auf einem Stuhl.
    Und das ebenerdige Fenster - sperrangelweit offen!
    Der Wind bewegte einen der beiden Fensterflügel und schlug ihn krachend gegen den Rahmen.
    Fassungslos begriff MacRedy, daß seine Tochter das Haus im Nachtgewand durch das Fenster verlassen hatte.
    ***
    Krachend flog die Tür des Pubs auf.
    Unwillkürlich verstummten alle Gespräche der Männer, die hier zu später Stunde noch saßen und die Verantwortlichen verwünschten, die das Werk in der benachbarten Stadt hatten schließen lassen. Über die Hälfte der Männer von Scardroy Lodge war dadurch arbeitslos geworden.
    Ein kalter Hauch wehte durch die Tür herein. Einem langen, schwankenden Schatten folgte ein Mann, der vor ein paar Minuten erst den Pub verlassen hatte.
    »Ben?« murmelte der Wirt hinter der Theke bestürzt. Bens Augen waren weit aufgerissen und leuchteten weiß. Sein Gesicht war eingefallen und käsig.
    Ben taumelte bis zur Theke und stemmte sich mit beiden Fäusten dagegen.
    »Was ist?« fragte der Wirt. Er sah die Angst in den Zügen des Betrunkenen. Aber Ben war nicht betrunken genug! Er hatte draußen eine Beobachtung gemacht, die ihn erschütterte!
    »Die Burg«, stammelte er. »Die Blutburg!«
    Die Männer im Pub horchten auf. Oben am Berg über dem Dorf ragten die Mauern jener Burg auf, die einst einem bösen Fluch zum Opfer gefallen war. Unbewohnt verfiel sie mehr und mehr, und kaum jemand fand einmal den Weg hinauf, um sich das verfallene und verlassene Gemäuer einmal anzusehen. Nur manchmal gab es Touristen, die zwischen den Wänden der alten Trutzburg echte schottische Gespenster wähnten.
    Doch die Menschen in Scardroy Lodge konnten darüber nicht lachen. In allen steckte immer noch die tief verwurzelte und Generationen alte Furcht vor dem, was einst auf der Blutburg gehaust hatte.
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