Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0211 - Die Nacht in der Schreckensburg

0211 - Die Nacht in der Schreckensburg

Titel: 0211 - Die Nacht in der Schreckensburg
Autoren: Werner Kurt Giesa und Manfred Weinland
Vom Netzwerk:
aus mit einem prachtvollen Haarschopf ausgestattet, ließ sie keine Gelegenheit aus, mit immer neuen Perücken zu glänzen. Heute war schwarz und lang fließend an der Reihe.
    Ansonsten war Nicole ein durchaus liebenswertes Geschöpf, äußerst selbstbewußt und unsterblich in Professor Zamorra verliebt, der nebenbei ihr Chef war. Die hübsche Sekretärin hatte sich im Laufe der Zeit dem abenteuerlichen Leben des Parapsychologen und Dämonenjägers angepaßt und wußte sich auch selbst recht gut ihrer makellosen, sonnengebräunten Haut zu wehren.
    Aber momentan herrschte Burgfrieden.
    Und Einkaufsbummel.
    Zamorra übernahm dabei nicht nur die Rolle des Zahlmeisters, sondern auch die des Kulis und durfte die Schachtel mit den »abgelegten« Sachen tragen, während Nicole ihr Cape im leichten Sommerwind wehen ließ und andere Passanten bisweilen aufregende Einblicke in ihre vorbildliche Anatomie bot. Zamorra entgingen diverse lüsterne Blicke nicht, die seine Gefährtin streiften.
    Langsam schleuderten sie durch die Einkaufstraßen. Aber erstaunlicherweise hielt sich Niroles Einkaufswut sehr in Grenzen. Zamorra sah auf die Uhr; in wenigen Minuten würde auch Ladenschluß sein, erkannte er erleichtert, als er die alte Frau sah.
    Ihre Blicke trafen sich, und es durchfuhr Zamorra wie ein elektrischer Schlag. Unwillkürlich blieb er stehen.
    »Was ist los?« fragte Nicole.
    »Schau mal«, sagte Zamorra und streckte die freie Hand aus. Er fühlte, daß irgend etwas ihn zu der alten Frau hin zog, die auf einer Bank hockte und ihn unverwandt ansah. Sie wandte ihren Blick nicht mehr von ihr, dabei war er sicher, daß sie zuvor angestrengt in eine völlig andere Richtung geblickt hatte, bis ihre Blicke sich begegneten.
    »Eine Zigeunerin«, murmelte Nicole überrascht, die ebenso wie Zamorra die weit fallende, bunte Kleidung der Frau sofort richtig gedeutet hatte.
    Langsam schritt Zamorra auf die Zigeunerin zu. Betrachtete ihr leicht eingefallenes Gesicht mit den unzähligen, winzigen Fältchen in den Augenwinkeln. Sie mochte neunzig oder hundert Jahre alt sein, aber selbst jetzt war ihr noch anzusehen, daß sie einmal eine heißblütige, berauschende Schönheit gewesen war.
    Dicht vor ihr blieb Zamorra stehen und neigte grüßend den Kopf.
    »Du bist Zamorra«, sagte die alte Frau mit erstaunlich fester, aber leiser Stimme.
    »Woher kennen Sie mich?« fragte der Meister des Übersinnlichen.
    Doch die Alte hob abwehrend eine Hand. »Ich sehe es in dir«, sagte sie. »Ein Schatten ist über dir. Deine Hand!«
    Seltsam berührt, streckte Zamorra die Hand aus. Mit schmalen Fingern griff die Zigeunerin danach und zog sie näher zu sich heran. Zamorra machte einen ausgleichenden Schritt nach vorn.
    Eine Wahrsagerin? fragte er sieh. Aber was wollte sie von ihm? Warum griff sie ihn aus einer Million anderer Menschen heraus, und warum kannte sie seinen Namen, obgleich sie sich niemals zuvor begegnet waren?
    Es mußte eine Erklärung geben, das wußte er. Er beschäftigte sich beruflich mit okkulten Phänomenen und wußte, daß es solche Fälle durchaus gab. Medial veranlagte Menschen oder solche mit ausgeprägten Para-Fähigkeiten standen zuweilen förmlich unter dem Zwang, übersinnliche Beobachtungen zu machen und diese auch bekannt zu machen. Vielleicht war es auch hier so. Vielleicht besaß die Zigeunerin wie viele Frauen ihres Volkes, die sich noch die Nähe der alten Naturkräfte bewahrt hatten, starke Para-Gaben und mußte jetzt wie unter Zwang lesen.
    Und sie las in seiner Hand!
    Er sah, wie ihre Pupillen sich schwach erweiterten und wie ihr Blick rastlos über die Linien seiner Hand glitten. Dann hob sie den Kopf wieder und sah ihn an.
    »Ich sehe seltsame Bilder, Zamorra«, sagte sie. »Ich sehe Blut, Staub und eine schwarzhaarige Frau. Und ich sehe eine große Gefahr. Gefahr, die sehr, sehr nah ist. Sieh dich vor, Zamorra. Jene, deren Feind du bist, wollen deinen Tod.«
    Leicht drehte er den Kopf und sah Nicole an, die atemlos gelauscht hatte.
    Blut, Staub und eine schwarzhaarige Frau… Nicole mit ihrer schwarzen Perücke? Blut und Staub… ein Hinweis auf Vampire?
    Er konnte es nicht anders deuten.
    Er griff in die Tasche, um einen kleinen Schein hervorzuziehen, aber die alte Frau winkte heftig ab. »Kein Geld«, protestierte sie.
    Im nächsten Moment war sie spurlos verschwunden.
    »Was war das?« stieß Nicole überrascht hervor. Sie sprang vor und lastete mit beiden Händen über die Bank. Aber sie war leer. Nur dort,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher