Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0184 - Der Kraken-Götze

0184 - Der Kraken-Götze

Titel: 0184 - Der Kraken-Götze
Autoren: Rolf Michael
Vom Netzwerk:
einem Pferd von hinten, dieses keilt erschreckt aus, trifft die Herzgegend, und führt so den Tod herbei. Ein Unfall -sonst nichts. Und nach dem Leumund der Dorfbevölkerung kein besonderer Verlust für die Menschheit.
    In Freienhagen aber hatte man eine andere Erklärung für den Pferdefuß. Keiner zweifelte daran, daß der pferdefüßige Gläubiger nun gekommen war, um die Schulden mit Zins und Zinseszins einzutreiben. Mit dem Pferdefuß hatte der leibhaftige Gottseibeiuns sein Siegel ja offen dargelegt.
    Darum hatte man in aller Eile aus der Kreisstadt einen Sarg beordert Und den Totengräber angewiesen, in der äußersten Ecke des Friedhofes eine Grube auszuheben.
    Strömender Regen begleitete die kurze Beerdigung. Selten, hatte der Pfarrer die Liturgie so schnell beendet, selten die Sargträger eine sterbliche Hülle so schnell der Erde anvertraut. Nur einige alte Frauen aus dem Dorf waren mitgekommen, um für die Seele des Verstorbenen zu beten.
    Aber sie blieben nicht lange. Tuschelnd traten sie den Heimweg an. Ungerührt ließ der Totengräber seinen kleinen Bagger an das Grab Stollers rollen und schaufelt es zu. Dann zog auch er sich eilig zurück. An diesem Platze lauerte das Böse…
    ***
    Aus dem »Buch der Totenbeschwörung«:
    ...dir aber, Suchender, sei verkündet, wie du die unsterblichen Teile der Toten ins Diesseits rufen und dir dienstbar machen kannst. Wisse fürdererst, daß es zwei Arten gibt, den Geist eines Verstorbenen zu rufen. Ziehest du die im Folgenden beschriebenen magischen Kreise, sprichst die Gebete, die dich schützen und bringst das notwendige Opfer dar, so bittest du den Geist des Toten freundlich um sein Erscheinen. Dieser wird deine Bitte kaum abschlagen, sind die Geister doch immer begierig, Kontakte mit den Lebenden zu pflegen. Aber hüte dich, ohne genaueste Vorbereitung dem Geist des Toten das Erscheinen zu befehlen. Wisse, daß die Seele des Verstorbenen frei ist und sich ungern in Bann schlagen läßt. Vernachlässigst du auch nur einen Teil der Vorbereitungen, gewinnt der Tote Macht über dich und folgt dir dein ganzes Leben bis du selbst, von Wahnsinn umnachtet, den Geist aufgibst.
    Zuvorderst aber sei geraten, die Geister der erst gerade Verstorbenen zu beschworen, denn sieben Nachte schwirren die unsterblichen Teile der Verblichenen noch um den verwesenden Leichnam. Es sind dies die sieben heiligen Nächte, an denen der Geist Abschied vom Diesseits nimmt, wo er noch einmal die Stätten seines irdischen Wirkens sehen und die ihm lieb gewordenen Mitmenschen beobachten kann. Erst dann tritt die Seele vor den ewigen Richter. Wahrlich, während der sieben heiligen Nächte bedarf es nicht vieler Vorbereitungen, den umherirrenden Geist eines Toten anzurufen und seine Dienste zu fordern. Für einen Meister der Kunst aber genügen wenige Worte…
    ***
    Siegmund Stollers Geist weilte in seinem Lieblingsaufenthalt, der Dorfschänke. Wenn er gekonnt hätte, er hätte mit den Zähnen geknirscht, wenn er nun die schlechten Reden über sich hörte. Seine alten Zechkumpane zogen über ihn her und am Ärgsten trieb’s der Wirt, der das alles hatte kommen sehen. Aber ganz wehrlos ist ein Geist während der ersten sieben Nächte nach seinem Tode nicht. Klirrend wurde ein Wandbild durch die übersinnlichen Kräfte des Toten zu Boden geschleudert. Die Wirtin bekreuzigte sich, die Männer an den Tischen rückten dichter zusammen. Dire Gesichter erblaßten, die Stimme sank zum Flüstern ab.
    Und dann griff etwas nach dem Geist des Siegmund Stoller, zwang ihn in seinen Bann. Stoller, schon zu Lebzeiten ein labiler Mensch, hatte dem auf ihn einstürmenden Parasinn wenig entgegenzusetzen. Wie eine Titanenfaust ergriff es das Unsterbliche Stollers und riß es fort, zerrte es zu seinem eigenen Grabe und…
    Schreiend fiel die ältere Dame in Ohnmacht, als sie die Erdklümpchen vom frischen Grab Stollers rollen sah und der Boden leise zu beben anfing.
    ***
    Wie ein gleißender Ball war die Sonne hinter den Wäldern verschwunden, als das Grab Siegmund Stollers von einem kleinen Beben erschüttert wurde. Blasse, lehmverschmierte Hände kamen krallengleich aus der Erde, ein weiterer Ruck, der Oberkörper des Toten richtete sich empor. Seelenlose Augen blickten umher. Langsam, unendlich langsam, erhob sich der dem Leben zurückgegebene Leichnam. Mechanisch, einen Fuß vor den anderen setzend, führte ihn sein Weg quer über den Gottesacker. Die Gestalt trug immer noch die Kleidung, die er zu Lebzeiten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher