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0184 - Der Kraken-Götze

0184 - Der Kraken-Götze

Titel: 0184 - Der Kraken-Götze
Autoren: Rolf Michael
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für sie der Begriff Zeit nicht mehr existiert, daß es für sie kein Morgen mehr geben wird, daß ihre Qual den Jüngsten Tag überdauert.
    »Die ihr hier eintretet - lasset alle Hoffnung fahren!« Dieser Spruch steht über dem Tor der Höllenstadt Dis, die Dante, der Dichterkönig der italienischen Renaissance, in einer Vision erahnte und die er in der Göttlichen Komödie beschrieb.
    »… da wird Heulen und Zähneknirschen sein!« schreibt die Heilige Schrift.
    Und die, die im Finsteren wohnen, sie lehrten den ehemaligen Herrscher des Krakenthrones von Atlantis die Schrecken der Ewigkeit. Es sträubt sich die Feder, auch nur den kleinsten Teil dessen zu beschreiben, dem der Geist des Amun Re in den sieben Kreisen der Hölle teilhaftig wurde. In den Tagen seines irdischen Daseins waren verfluchte Seelen, Dämonen, gefallene Engel, ja, selbst die Fürsten und Könige der falschen Hierarchie ihm untertan gewesen.
    Und diese forderten ihr Recht in der Jenseitswelt. Aber bei allem, wessen Amun Re teilhaftig wurde, es war ihm noch nicht bestimmt, auf ewig in den glühenden Ketten der Hölle zu liegen.
    Und Triumph zuckte auf, als das Blut des Mädchens, vom bösen Geschick getrieben, die Lippen seines toten Körpers netzten. Da war die Seele frei, kehrte zurück in seinen Körper und erfüllte ihn mit Leben.
    Die fest geschlossenen Lippen öffneten sich, mit der Zungenspitze leckte Amun Re den Lebenssaft des Mädchens, der ihn dem irdischen Leben zurückgab. Flatternd öffneten sich die Augenlider des Magierfürsten, ein Zucken lief um die Mundwinkel. Blut - Leben! Aber es waren nur wenige Tropfen, die aus der Wunde des Mädchens getropft waren. Der Körper des seit undenklichen Zeiten hier Liegenden benötigte mehr, um wieder lebensaktiv zu werden. Er brauchte Blut, um zu Kräften zu kommen. Noch einmal fühlte Amun Re die völlige Ohnmacht, die er verspüren mußte, als er noch das Spielzeug der unreinen Geister war. Nur langsam kehrten Bruchteile einstigen Wissens in sein Gehirn zurück. Er entsann sich verschiedener, einfacher Totenbeschwörungen. Und sein tastender Geist erfaßte einen, der erst seit vier Tagen der Erde zurückgegeben ward.
    Amun Res Lippen murmelten tonlose Beschwörungen.
    ***
    Es war die sechste Nacht nach seinem Tode. Und vor vier Tagen hatte man ihn begraben.
    Wenige Leute waren gekommen, um mit ihm den letzten Weg zu gehen. Siegmund Stoller war im ganzen Dorf unbeliebt gewesen und niemand hatte seinen frühen Tod bedauert. Den Hof, den er von seinem Vater als blühendes Anwesen ererbt hatte, Siegmund Stoller richtete ihn in kurzer Zeit zu Grunde. Die Felder blieben unbestellt, die Obstbäume wurden nicht abgeerntet. Der Bauer trieb sich jede Nacht in der Schänke herum und trank bis zur Besinnungslosigkeit. Machte seine Frau, des Gerbers Kathrin, ihm Vorhaltungen, raste er vor Zorn. Und das schreiende Weib flüchtete zu den Nachbarn, verfolgt von ihrem völlig betrunkenen Gatten, dessen Faust den schweren Ochsenziemer schwang.
    Siegmund Stoller verpfändete nach und nach den ganzen Hof an die Bank in der Kreisstadt. Die Bankdirektoren, wissend, daß in einigen Jahren die Autobahn über Stollers Grundstück gebaut werden solle, geizten nicht mit Geld.
    Im Dorf ahnte niemand, daß Siegmund Stollers Geld aus einer ganz natürlichen Quelle kam. Hier, in den bäuerlichen Gemeinwesen, ist der Glaube aus den Tagen der Väter noch lebendig. Und nicht anders hieß es, daß der Stoller Siegmund mit dem bösen Feind im Handel sei, daß er mit dem Satan einen Pakt geschlossen habe. Sein Weib, die Kathrin, konnte das Getuschel im Dorf hinter ihrem Rücken kaum ertragen, als man sie aber öffentlich als Hexe verhöhnte, ging sie in die Scheune, bat Gott um Vergebung und erhängte sich.
    Diese tragische Geschichte, einem alten Volksmärchen nicht unähnlich, hätten Siegmund Stoller eigentlich seinen Lebenswandel ändern lassen sollen. Aber, auch wenn er keinen wirklichen Pakt mit dem Leibhaftigen abgeschlossen hatte, dem Satan des Alkohols war er verfallen. Und im Dorf wunderte sich keiner, als man ihn an einem nebligen Morgen auf einer Pferdekoppel entseelt fand. Die Kriminalpolizei fand kein Indiz für einen Mord, der Gerichtsmediziner stellte den Tod durch Herzversagen fest, den ein Pferdetritt auf die linke Seite der Brust hervorgerufen hatte. Für die logisch denkenden Beamten der Kriminalpolizei lag der Fall sonnenklar: ein ortsbekannter Trunkenbold nähert sich aus irgendeinem Grund bei Dunkelheit
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