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0184 - Der Kraken-Götze

0184 - Der Kraken-Götze

Titel: 0184 - Der Kraken-Götze
Autoren: Rolf Michael
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dieser unscheinbaren, lebensspendenden Energie hatte der Zauberer bereits darauf verwandt, den Körper des Verstorbenen dem kühlen Grabe zu entreißen. Er konnte keine Kräfte verwenden, mit volltönender Stimme zu sprechen.
    Das war auch nicht nötig, denn im Geiste verstand das, was einst Siegmund Stoller gewesen war, die unausgesprochenen Befehle des Amun Re. Ein Lebendiger, sei es auch der Weiseste der Weisen, der Gelehrteste der Gelehrten, hätte keines der gehauchten Worte verstanden, geredet in einer Sprache, die bereits vergessen war, als König Kuli die Schlangenmenschen von Valusia bekämpfte und das Reich von Archeron dem Staube der Vergangenheit anheimfiel.
    Die Leere in Siegmund Stoller füllte sich mit dem Willen und den Befehlen dessen, der ihn dem Todesschlaf entrissen hatte. Fest bohrten sich die stechenden Blicke des Magiers in die toten Augen seines willenlosen Sklaven.
    »Schaffe Menschen herbei!« lautete der Befehl, den Siegmund Stoller in sich verspürte, »jung, stark, voller Lebenslust und aufgewachsen im Geist dieser Zeit. Du weißt, wo dieses Leben zu finden ist… !« Denn der Gewaltige des Krakenthrones ahnte, daß unvorstellbare Zeiten seit dem Tage vergangen waren, da ihn die geschleuderten Waffen des Barbaren trafen. Was war in diesen Tagen, Jahren, Jahrhunderten oder Jahrtausenden auf der Erde geschehen. Hatten sich die Menschen verändert? Wie lebten sie, welche Sprachen wurden gesprochen, mit welchen Waffen bekämpften sie einander? Und endlich - an welche Götter glaubten sie. Wurde noch immer die Zauberei ausgeübt - waren die alten Gesetze der Magie noch gültig? All dies - er mußte es wissen, bevor er es wagen konnte, erneut den Weg zu beschreiten, der ihm, dem Gewaltigen, die Welt untertan machen mußte.
    »Bringe mir Menschen! Bringe mir Wissen! Bringe mir Leben!« Mechanisch wandte sich Siegmund Stoller um. Seine Bewegungen, gleich denen einer an Fäden gehaltenen Marionette, waren ruckartig und unnatürlich. Die Gestalt wurde von der Schwärze des Ganges im Felsen verschlungen. - »Bringe mir Leben!« Keine Macht dieser Erde hätte den Toten von der Durchführung des Befehles abhalten können. Er machte sich keine Gedanken über Recht und Unrecht seiner Taten, die er ausführen mußte. Gleichgültig waren ihm die Schicksale derer, die er seinem Meister zuführen würde.. Denn sein handelnder Geist besaß weder Verstand noch Intellekt. Wie ein Hund auf Befehl seines Herrn einen Stock aus dem Wasser holt, so würde er dem Meister Leben zuführen. Gleich einem Roboter, der, einmal auf eine Tätigkeit programmiert, sich nur durch Zerstörung von der Durchführung seines Programms abbringen läßt, stapfte Siegmund Stoller vorwärts.
    »Bringe mir Leben!« - Leben, ja, dort unten im Tal, in dem Dorf, wo er die Jahre seines irdischen Daseins verbracht hatte, da gab es Leben in Hülle und Fülle. Es strahlte, pulsierte förmlich. Siegmund Stoller wurde davon angezogen wie ein Nachtfalter vom Schein einer brennenden Kerze. Leben - genug um den Meister zu nähren.
    Und dieses Leben war ahnungslos…
    ***
    Der Kegel eines Scheinwerfers durchriß die Nacht, fraß sich in die Dunkelheit des Waldes. Braune Nachtfalter taumelten einen geisterhaften Tanz im gleißenden Licht. Das gleichmäßige, sonore Brummen einer Honda Cx 500 durchriß die feierliche Stille, die ringsherum geherrscht hatte. Die Geräusche des 50 PS-Motors trieb die verschreckten Tiere des Waldes tiefer in das Dickicht. Aus dem Wipfel einer Eiche tönte das keckernde Geschrei eines im Schlafe gestörten Eichelhähers. Knirschend fraßen sich die Räder der schweren Maschine langsam auf dem ausgetretenen Waldweg nach oben.
    An einer Stelle riß der Wald nach der Talseite hin auf und gab den Blick frei auf das unten liegende Dorf. Zum Walde zu lag, angelehnt an den Berg, der Stamm einer gefällten Buche, ein Rastplatz für einen wegemüden Wanderer, der hier den beschaulichen Ausblick auf die sich ihm bietende Dorfidylle genießen konnte.
    Die Maschine hielt, dröhnend gab der Fahrer noch einmal Gas, dann erstarb das Motorengeräusch. Ein leises, kaum hörbares Klicken, dann war auch die Lampe ausgeschaltet. Zwei dunkle Gestalten schwangen sich von der Maschine, der Fahrer klappte den Ständer nach unten und zog mit kräftigen Armen das Motorrad zurück, daß es sicher stand. Dann nahm er den Helm ab, der bisher sein Gesicht voll verdeckt hatte.
    Zwei graue Augen funkelten unternehmungslustig in die Welt. Die halblangen,
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