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013 - Das Milliarden-Heer

013 - Das Milliarden-Heer

Titel: 013 - Das Milliarden-Heer
Autoren: Timothy Stahl
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Immerhin; Einschaltquoten wie in diesen Tagen hatte man in der ganzen Geschichte des Fernsehens noch nicht eingefahren!
    Ranseier köpfte das nächste Bier. Der Kronkorken sprang davon und klickte gegen die Mattscheibe, gegen das Gesicht von Bruce Willis, der in »Armageddon« die Welt vor einem Schicksal zu retten versuchte, das jetzt Wirklichkeit geworden war. Tatsächlich zeigte einer der Pay-per-View-Channels seit einer geschlagenen Woche rund um die Uhr nichts Anderes als Katastrophenfilme, angefangen bei den ollen Schwarzweiß-Kamellen aus den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bis hin zu den Streifen, die Ende der Neunziger im Trend gelegen und sich die unterschwellige Angst der Menschheit vor der Jahrtausendwende zu Nutze gemacht hatten.
    Ranseier lachte glucksend, ein Geräusch fast wie das Schwappen des Biers in der Flasche. Seinerzeit, vor über zehn Jahren, hatten sich alle möglichen Leutchen mit obskuren Prophezeiungen überboten, was der Welt alles drohen könnte im Angesicht des neuen Jahrtausends. Nichts davon hatte sich als wahr erwiesen, nicht einmal dieser beknackte Millennium-Bug hatte zugebissen - aber wer hätte ahnen können, dass das wirkliche Ende der Welt in allernächster Zukunft lauerte?
    Warum gab es im wirklichen Leben keine Helden vom Schlage eines Bruce Willis? fragte sich Ranseier. Wieso versuchte man jetzt nicht genau das, was in diesem Film vorpraktiziert worden war: ein Shuttle zu diesem Brocken im Weltall hoch schicken und eine Bombe rein pflanzen, um das Scheißding zu sprengen?
    Oh, klar, über die theoretische Möglichkeit hatten Wissenschaftler, Militärs und die anderen Mächtigen dieser Welt in den vergangenen Wochen ausführlich palavert. Für und Wider abgewägt. Erfolgschancen ausgerechnet. Nur praktisch unternommen hatten sie nichts, diese elenden Sesselfurzer!
    Wäre es nicht so tragisch und traurig gewesen, hätte man darüber lachen können. Gerade in den vergangenen Jahren hatte man Projekte gestartet, die noch vor fünfzehn, zwanzig Jahren als reinste Utopie gegolten hatten: Europäer und Amis hatten angefangen, eine Forschungsstation auf der Mondoberfläche zu bauen, und man hatte eine bemannte Mission zum Mars losgeschickt, die aber in die Hose gegangen war - das nahm man jedenfalls an, denn der Kontakt zum Raumschiff war abgerissen, ehe es sein Ziel erreicht hatte.
    Warum also in drei Teufels Namen schaffte man es nicht, einen acht Kilometer durchmessenden Brocken aus Ruß und Eis vom Himmel zu holen, bevor er Schaden anrichten konnte?
    Die Fachidioten im Fernsehen fanden ungefähr hundertfünfzig Umschreibungen für die Antwort, von denen keine einzige Carl Ranseier wirklich zufrieden stellte…
    »Arschlöcher«, grunzte Ranseier und kratzte sich so ungeniert wie ausgiebig im Schritt seiner ausgebeulten Trainingshose in den Farben der Alemannia Aachen: Gelb und Schwarz. Es hörte nicht auf zu jucken da unten, und Ranseier überlegte, ob er nicht noch eine Dusche nehmen sollte, seine letzte und ganz feierlich.
    Denn nach dem Kometeneinschlag würde dazu wohl keine Gelegenheit mehr sein. Dann würden die Flüsse nämlich verdampft sein und das Grundwasser verseucht; auch darüber ließ man sich im Fernsehen beinahe genüsslich aus…
    Ein Bierchen noch, beschloss Ranseier, dann würde er tatsächlich noch mal unter die Dusche steigen. Er grinste verunglückt. Und sei es nur, um morgen als Toter nicht gleich von Anfang an zu stinken…
    Irgendwie verfing sein Galgenhumor nicht.
    Der Sarkasmus hinterließ nur einen gallbitteren Geschmack, und er vermochte nichts auszurichten gegen die Angst, die Ranseier wie ein Eisklumpen in der Brust saß, schwer und kalt und so spürbar, dass es regelrecht weh tat.
    Er hatte ernsthaft geglaubt, diese Angst mit Alkohol bekämpfen zu können, doch obwohl er in den vergangenen Tagen so viel gesoffen hatte wie nie zuvor in seinem Leben, fühlte er sich nicht einmal wirklich betrunken. Im Gegenteil schienen seine Sinne mit nie gekannter Präzision zu funktionieren - mehr noch, sie arbeiteten in einem Maße und auf eine Weise, die seine Furcht nur noch schürten.
    Er glaubte Geräusche zu hören, die es nicht geben konnte. Ein Knistern und Rascheln um ihn her, als bewegten sich dort unsichtbare Dinge. Und er fühlte sich nach wie vor beobachtet, förmlich angestarrt von gleichfalls unsichtbaren Augen.
    Vielleicht - und Carl Ranseier betrachtete den Gedanken ganz ernsthaft als Versuch sich selbst zu beruhigen -
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