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013 - Das Milliarden-Heer

013 - Das Milliarden-Heer

Titel: 013 - Das Milliarden-Heer
Autoren: Timothy Stahl
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andere so in Mitleidenschaft gezogen worden, dass sie im Laufe der Jahre stückchenweise verfallen waren.
    Ansonsten hatte zumindest die Innenstadt die Katastrophe bemerkenswert gut überstanden. In der Umgegend jedoch war kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Ein Bruchstück »Christopher-Floyds«, das ganz in der Nähe eingeschlagen war, hatte Aachen quasi auf den historischen Stadtkern reduziert, gerade so, als sei die Stadt um Jahrhunderte in der Zeit zurückgeschleudert worden. Sie mochte jetzt wieder jenem Bild gleichsehen, das sie im Mittelalter geboten hatte. Wenn man davon absah, dass die Stadt heute nahezu verlassen und zur Geisterstadt verkommen war. Nun, das stimmte nicht ganz, korrigierte sich Professor Hallstein, während er an Carl Ranseiers Seite im Dämmerlicht die Gasse hinab ging. Sie waren nicht die einzigen Menschen in der Stadt; wenn auch wahrscheinlich die Letzten der ursprünglichen Bevölkerung. Wer damals nicht ums Leben gekommen war, hatte Aachen im Laufe der Folgezeit verlassen, in der Hoffnung, anderswo bessere Lebensbedingungen vorzufinden.
    Eine trügerische Hoffnung, fand Gunnar Hallstein, die sich vermutlich für niemanden erfüllt hatte.
    Hallstein selbst war aus ganz logischen Erwägungen der Ansicht, dass es sich in den Städten, mochten sie auch schwer beschädigt sein, besser leben ließ als sonst wo. Weil sie immer noch ein Dach über dem Kopf boten und weil sich nach wie vor Lebensmittel in den Häusern fanden, Konserven und was immer die Zeit sonst noch überdauert hatte. Sicher, dieser »Vorrat« schwand allmählich, aber es war immer noch besser, wenig zu essen als irgendwo da draußen in der postapokalyptischen Wüstenei zu hungern und zu frieren.
    Trotzdem stand der Professor mit seiner Meinung offenbar recht allein auf weiter Flur. Denn es kamen fast täglich Wanderer durch die Stadt, von irgendwoher, unterwegs nach irgendwohin. Einige waren allein, andere zogen in Trecks umher, doch alle waren sie auf der Suche nach dem Gegenstück zum gelobten Land aus biblischer Zeit. Die Geschichte der Menschheit schien sich zu wiederholen, in einigen Kapiteln zumindest…
    Hallstein selbst hatte nie mit dem Gedanken gespielt, die Stadt zu verlassen.
    Im Grunde seines Herzens fühlte er sich heute hier fast wohler als früher. Aus zweierlei Gründen.
    Zum einen gab es die Spötter nicht mehr, die ihn damals nicht nur verlacht, sondern seine Profession gekostet hatten. Seiner ausgeprägten Leidenschaft für Kerbtiere wegen hatte er seinen Lehrstuhl an der Universität verloren und war schließlich ob seiner gewagten These zu einer Art »Erich von Däniken der Entomologie« geworden, wenn ihm auch wegen der vergleichsweise unpopulären Thematik dessen finanzieller Erfolg versagt geblieben war. (Entomologie (griech.): Lehre von den Insekten)
    Und zum anderen hatte sich die Welt nach Hallsteins Blickwinkel in ein Paradies verwandelt, in dem tatsächlich Wunder geschahen. Anders konnte und wollte er die Reaktion der Insekten auf die veränderten Umweltbedingungen nicht nennen.
    Sie passten sich dieser Welt auf fantastische Weise an. Sie machten Entwicklungen durch, die einfach nur als atemberaubend zu bezeichnen waren; verkürzten die Generationsdauer, um die Anpassung zu beschleunigen. Evolution im Zeitraffer.
    Kein Tag, an dem Professor Hallstein sich nicht mit neuen Überraschungen konfrontiert sah. Und er war gespannt, wo dieser Prozess noch hinführen und ob er je enden würde.
    Hallstein hatte diesbezüglich seine ganz eigene Theorie, die er nun in zunehmendem Maße bestätigt sah…
    Ein keuchender Laut störte seine Gedanken. Fast verärgert wandte sich der Professor um. Ranseier stand drei, vier Schritte hinter ihm, wie in der Bewegung erstarrt, und sein Blick irrte gehetzt durch die dichter gewordenen Schatten um sie her.
    Sie hatten den Katschhof erreicht, standen am Rande des großen Platzes, den man früher als einen der schönsten Europas bezeichnet hatte. Heute mochte er einer der wenigen noch verbliebenen sein…
    Links und rechts des Hofes erhoben sich gewaltige kompakte Schattengebilde im Dunkel, so hoch, dass es schien, als stützten sie den mittlerweile schwarz gewordenen Himmel über der Stadt. Das gotische Rathaus und der Aachener Dom. Beide Bauwerke hatten die Katastrophe überstanden. Sie waren dereinst fast im wörtlichen Sinne für die Ewigkeit erbaut worden - auch wenn sich ihre Baumeister eine solche Erprobung ihrer Kunst wohl nicht hatten träumen
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